Mit Operations Research zu besseren Entscheidungen

OR richtig einsetzen

von - 21.11.2018
Will ein Unternehmen sich näher mit OR befassen, gilt es zunächst, Einsatzmöglichkeiten für Operations Research zu identifizieren. „Vor allem komplexe Entscheidungsprozesse mit vielen Variablen, die sehr stark vom Bauchgefühl und der Erfahrung einzelner Personen geprägt werden, eignen sich in der Regel für die mathematische Modellierung“, beobachtet A.T.-Kearney-Manager Schmidl. Die Logik hinter solchen Entscheidungen lasse sich häufig in Algorithmen fassen. „So kann Wissen formalisiert werden und ist nicht mehr im Alleinbesitz eines bestimmten Mitarbeiters.“
Ein gewisses Maß an Datenqualität sei allerdings Voraussetzung, auch wenn die bei OR eingesetzten Verfahren recht robust sind. „Wenn ich sehr unscharfe Daten in das System gebe, kommt natürlich auch nur ein unscharfes Ergebnis heraus“, betont Schmidl.
Jörg Schmidl
Manager beim Beratungs­unternehmen A. T. Kearney
www.atkearney.de
„Fachabteilungen können heute OR-Methoden in gewissem Umfang selbst einsetzen
und sind für Spezialanwendungen nicht notwendigerweise auf die Zentralabteilung angewiesen.“
GOR-Vorstand Kimms rät, gezielt Mitarbeiter mit OR-Kenntnissen einzustellen: „Solche Personen haben ein hohes analytisches Denkvermögen und sind interdisziplinär ausgerichtet“, erklärt der OR-Experte. „Sie sind daher besonders gut auch für Schnittstellenpositionen qualifiziert, weil sie kompetent mit mathematisch-technisch ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen auf der einen und kaufmännisch ausgebildeten auf der anderen Seite kommunizieren können.“
Auch um Anwendungsfelder zu finden, OR-IT-Lösungen anzuschaffen oder entsprechende Dienstleistungen einzukaufen, sei Know-how in der Operations Research von Vorteil: „In der Unternehmensleitung gibt es oft überhaupt keine Kenntnis darüber, was OR wie leisten kann.“
An der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Mercator School of Management trägt man der Wichtigkeit des Themas mit gleich drei OR-Professuren Rechnung. „Das ist selten, da viele Fakultäten bestenfalls eine OR-Professur haben“, so Kimms. „An etlichen Fakultäten gibt es gar kein OR-Angebot im Curriculum oder keine Pflicht zur Belegung von Operations Research.“
HP
Quelle: INFORMS
Neben Technik und Know-how spielt nach Ansicht von Schmidl aber auch ein dezidiertes Change-Management eine wesentliche Rolle, wenn OR-Projekte Erfolg haben sollen. „Mit den veränderten Prozessen ändern sich auch Entscheidungswege und Kompetenzen“, erklärt der A.T.-Kearney-Manager. Mitarbeiter, die aufgrund ihres Spezialwissens eine Schlüsselposition innehätten, würden unter Umständen entmachtet, Abteilungen müssten enger zusammenarbeiten und vom System getroffene Entscheidungen akzeptiert werden. „Die Bereitschaft zu diesem Wandel hat einen sehr großen Anteil daran, ob OR erfolgreich etabliert werden kann oder nicht.“
OR kann laut Schmidl vor allem dann seine Stärken ausspielen, wenn über Abteilungs- und Prozessgrenzen hinweg der Geschäftsprozess End-to-End betrachtet wird. „Das bietet eine Argumentationsgrundlage, um auch gegen die Interessen einer Fachabteilung das für die Firma globale Optimum durchzusetzen.“ Dazu braucht es Unterstützung aus dem oberen Management. „Wir haben in unseren Projekten immer erlebt, dass die Zuständigkeit für Operations Research in den Bereich des CIOs oder COOs gewandert ist.“

Fazit

Die altehrwürdige mathematische Disziplin Operations Research leistet in einer immer komplexeren Welt mit zahlreichen Abhängigkeiten bei der Entscheidungsfindung eine wesentliche Hilfestellung. Die Kombination von Big Data, Statistik, Machine Learning oder spieltheoretischen Ansätzen mit den Optimierungsfunktionen der klassischen OR-Methoden bietet neue Einsatzmöglichkeiten und kann die digitale Transformation unterstützen.
Unternehmen benötigen allerdings zwei Dinge, um daraus wirklich Nutzen zu ziehen: Sie brauchen mathematisch gut ausgebildetes Personal, das fähig ist, OR-Ansätze auf Problemstellungen im Unternehmen anzuwenden, und sie brauchen eine interdisziplinäre und integrative Kultur, um diese Ansätze auch über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg erfolgreich einsetzen zu können.
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