Bei Omnichannel muss der Kunde im Zentrum stehen

Vorteile und Herausforderungen

von - 02.10.2018
Wie wichtig sind Ihnen diese Funktionen
Priorität Kunde: Vor allem die Erfassung von Kundendaten auf allen Kanälen steht für den Handel ganz oben auf der Liste der Omnichannel-Funktionen.
1) online reservieren, stationär abholen und bezahlen
2) online bezahlen, stationär abholen
3) online bestellte Ware stationär retournieren und Gutschrift transferieren
4) Endless Aisle (virtuelle Erweiterung des Warenbestandes)
(Quelle: ibi research, n=300 Händler im DACH-Raum )
Als größte Herausforderungen bei der Implementierung eines Omnichannel-Vertriebs nannten die von ibi research im DACH-Raum befragten Händler die Zusammenführung der Kundendatenbanken (20,7 Prozent), Lagerhaltung und Logistik (18,6 Prozent) sowie die kanalübergreifende Kundenidentifikation (17,9 Prozent). Die Überwindung von Silos ist eine zentrale Aufgabe für jeden Omnichannel-Ansatz, weil die kanalübergreifende Integration von Kundendaten die Vo­raussetzung für eine kohärente Benutzererfahrung darstellt.
Die Verbesserung der Customer Experience steht denn auch bei rund 70 Prozent der Unternehmen auf der strategischen Agenda, berichten die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC). Nahezu genauso viele – rund zwei Drittel – verfügen allerdings noch nicht einmal über einen Verantwortlichen für Customer Experience. Insbesondere Unternehmen mit eigenem Contact-Center hätten in puncto Customer Experience Nachholbedarf, geht aus der PAC-Studie hervor. In circa jedem dritten Contact-Center werde die Kundenzufriedenheit bislang nicht regelmäßig gemessen oder als Indikator für die Steuerung genutzt. Knapp 60 Prozent der Contact-Center-Verantwortlichen halten laut PAC denn auch die Kundensicht in ihrem Unternehmen für nicht ausreichend repräsentiert. Acht von zehn glauben, dass die Kundeninteraktion in den strategischen Fokus ihrer Aktivitäten rücken müsse. Nur 30 Prozent halten diesen Anspruch derzeit für überwiegend, 11 Prozent für ganz erfüllt.

Das Abbruch-Problem

Eines der größten Ärgernisse sowohl im stationären wie im Online-Handel ist es, wenn der Kunde eine einmal gefasste Kaufabsicht wieder aufgibt. Moosend, ein Hersteller von Marketing-Automation-Software, berichtet, dass in Europa sieben von zehn Online-Käufern den Warenkorb verwerfen. Für stationäre Anbieter ist der Verzicht eines Besuchers auf einen Einkauf sogar noch schmerzlicher, denn sie müssen zum Teil erhebliche Mittel aufbringen, um den Kunden überhaupt erst in das Ladengeschäft zu locken. Zu den häufigsten Ursachen für Kaufabbrüche im Ladengeschäft zählen ein zu knappes Sortiment, beschränkte Zahlungsmöglichkeiten und Warteschlangen.
Unternehmen ohne zentralen Verantwortlichen für Customer-Experience
Quelle: PAC, Enghouse Interactive "Vision 2020"
Für ein zu knappes Sortiment hat die Branche Lösungen gefunden. Einige Händler bieten Kunden etwa den Zugriff auf eine „verlängerte Ladentheke“ (endless aisle). Meist handelt es sich dabei um ein Endgerät zum Aufgeben von Bestellungen im Online-Store des Anbieters. Noch haben zwar nur 7 Prozent der befragten Unternehmen einen solchen Kiosk implementiert, doch immerhin weitere 15 Prozent können sich das gut vorstellen oder arbeiten bereits aktiv daran.
Fürs Bezahlen über eine solche Kiosklösung bevorzugen die Anbieter die eigenen Kassen statt einer Online-Lösung. Doch lange Schlangen an der Kasse wirken abschreckend. Laut Richard Larson, Mitsui-Professor für Technische Systeme am Zentrum für soziotechnische Systemforschung des MIT, empfinden Käufer solche unvorhergesehenen Wartezeiten als dreimal länger als sie wirklich sind. Kaufabbrüche seien das logische Resultat dieser Wahrnehmung. Zusätzliche Kassensysteme, darunter auch mobile Kassen-Scanner, können das Problem entschärfen, aber nicht beheben. 17 Prozent der für die ibi-research-Studie befragten DACH-Händler setzen bereits eine mobile Kasse inklusive mobilem Bezahlterminal im stationären Geschäft ein, 23  Prozent haben im stationären Geschäft schon mobile Bezahlmethoden wie PayPal und Apple Pay im Einsatz. Doch das ist Stückwerk. Erst durch die Bündelung von Online- und stationären Vertriebskanälen im Omnichannel-Vertrieb können Unternehmen den Kaufabbruch tatsächlich weitgehend abwenden.
Wenn es darum geht, die Akzeptanz unvermeidlicher Wartezeiten zu steigern, spielt der Unterhaltungskonzern Disney in einer eigenen Liga. In der Vergangenheit versuchte das Unternehmen den Besuchern seiner Vergnügungsparks die notorisch langen Wartezeiten, Familien warten hier nicht selten 45 Minuten auf eine zwei Minuten kurze Fahrt, durch unterhaltsame Ablenkungen zu versüßen – mit beachtlichem Erfolg. Dank der Umsetzung von Omnichannel-Marketing kann Disney inzwischen auf seine raffinierten und kostspieligen Hinhaltetaktiken komplett verzichten. Die Besucher bekommen jetzt einfach eine Benachrichtigung auf ihrer mobilen App, wenn sie an der Reihe sind.
Für Disney hat das mehrere Vorteile. Über den mobilen Kanal lernt das Unternehmen seine Kunden besser kennen. So lassen sich die Unterhaltungsangebote kanalübergreifend personalisieren und das Nutzerengagement auch bei anderen Angeboten steigern – der Kunde hat ja Zeit mitgebracht und kann nicht einfach die Flucht ergreifen.
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