Bei Omnichannel muss der Kunde im Zentrum stehen

Von Multi- zu Omnichannel

von - 02.10.2018
Für den Vertrieb ihrer Waren steht Unternehmen heute eine Vielzahl an Kanälen zur Verfügung. So könnte etwa ein Modehersteller seine Produkte über den stationären Handel, diverse Online-Marktplätze, Sprachassistenten wie Amazon Alexa, einen gedruckten Katalog, Chat-Lösungen wie Facebook Messenger und den eigenen Webshop vertreiben.
Hyperlokales Geotargeting
Hyperlokales Geotargeting: Beacons von Estimote für die quelloffene Beacon-Plattform Google Proximity.
(Quelle: Estimote)
Sind allerdings die Aktivitäten der verschiedenen Vertriebskanäle nicht um den individuellen Kunden herum zentriert und werden sie nicht miteinander synchronisiert, schafft es das Unternehmen nicht bis zu einem Omnichannel-Ansatz, sondern verharrt bei einem Multichannel-Vertrieb. Dabei entstehen mit jedem Wechsel zwischen den Touchpoints der verschiedenen Kanäle Reibungsverluste; die Customer Journey in einem Kanal endet abrupt mit dem Kanalwechsel. Für den Kunden sind die damit verbundenen Ungereimtheiten unangenehm, für das Unternehmen sind sie teuer. Sie führen zum Kaufabbruch, schmälern die Zufriedenheit des Kunden und setzen seine Loyalität aufs Spiel.
Ein Omnichannel-Vertrieb zielt im Gegensatz dazu auf eine vollständige Integration der verschiedenen Servicewege. Eine ganzheitliche Sicht auf den einzelnen Kunden soll für eine homogene Wahrnehmung des Angebots sorgen und eine vertriebswegneutrale Customer Journey ermöglichen.

Omnichannel stärkt Loyalität

Auf vielen Gebieten weicht deshalb der Multichannel-Vertrieb zunehmend einem Omnichannel-Denken. Paradebeispiel sind Banken und Finanzdienstleister und ihre Probleme mit den sich stark verändernden Vertriebskanälen. Immer mehr Menschen erledigen ihre Bankgeschäfte inzwischen zwar per Mobile-App oder Online-Banking, doch möchten sie auf ein Contact-Center oder den Besuch in einer Filiale trotzdem nicht verzichten.
Dirk Vater
Dr. Dirk Vater
Partner bei Bain & Company
Germany
www.bain.de
Foto: Bain & Company
„Wer den Omnichannel-Gedanken nicht lebt, öffnet Tür und Tor für Wettbewerber innerhalb und außerhalb der Branche.“
Als Reaktion darauf haben die Banken ihre Kanalpräsenz ausgebaut. Das Verlagern der Transaktionsdienste von Mitarbeitern auf Software und Selfservice-Angebote, in der Filiale, am Automaten oder online, brachte den Banken erheb­liche Kosteneinsparungen. Routine-Transaktionen mit Beteiligung eines Bankmitarbeiters kosten oft 20-mal mehr als die softwaregestützte Ausführung im Mobile- oder Online-Banking, wie aus einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Bain & Company hervorgeht, für die rund 133.000 private Kontoinhaber (davon 10.000 in Deutschland) befragt wurden. Die Banken, so die Studie, hätten auch zu bedenken, dass viele Kunden es mittlerweile vorziehen, bestimmte Geldgeschäfte digital abzuwickeln. In Großbritannien etwa habe die Überführung von Routine-Transaktionen in digitale Kanäle zu einer verbesserten Kundenloyalität geführt. Allerdings habe der Ausbau der digitalen Kanäle und Selfservice-Angebote vor allem bei anspruchsvollen Bankkunden auch für Verwirrung und Verunsicherung gesorgt – in erster Linie wegen mangelnder Koordination der verschiedenen Angebote. Bain weist deshalb darauf hin, dass eine Strategie, die fast ganz auf Online-Kanäle setzt, auch leicht nach hinten losgehen könne. Die Konkurrenz sei „nur wenige Klicks entfernt“ und die Loyalität sei bei rein digitalem Banking nicht hinreichend stark, um einen Wechsel zu einem anderen Anbieter zu verhindern.
Die Studie offenbart, wie groß das Loyalitätsproblem der Geldinstitute ist. In Deutschland sind demnach mehr als die Hälfte der Bankkunden ihrer Hausbank untreu. Gerade bei höhermargigen Produkten wie Krediten und Versicherungen machten sich die Kunden die Vorteile des digitalen Zeitalters zunutze, indem sie sich beim jeweils besten Anbieter am Markt versorgten. „Der Vormarsch des mobilen Kanals ist für die Banken Fluch und Segen zugleich“, resümiert Bain-Partner und Bankenexperte Markus Bergmann. Doch diese Bedrohung müssten die Banken nicht hinnehmen. Helfen könnte ihnen, so die Bain-Studie, nicht zuletzt eine Omnichannel-Strategie. Omnichannel-Vertrieb stärke die Kunden­bindung.
Ein Omnichannel-Szenario könnte etwa folgendermaßen aussehen: Mit einem Blick auf die Mobile-Banking-App auf dem Smartphone verschafft sich der Bankkunde einen Überblick über seine Kontobewegungen. Hat er dazu Fragen, bringt ihm ein Anruf beim Kundendienst seiner Hausbank schnell Klarheit. Im Gespräch bietet der Berater an, die neue Kreditkarte freizuschalten, falls diese schon mit der Post beim Kunden angekommen sei. Der Kunde wiederum macht gleich noch einen Termin mit einem Berater in der Hausfiliale aus, um ein Konto für seine Tochter zu eröffnen. Der Teenager hat zwar bereits alle Informationen via sicheren Video-Chat eingereicht, braucht aber noch die Unterschrift des Vaters. Wenige Stunden später zeigen sich die Änderungen im Online-Banking-System auf dem Laptop. Die Tochter hat abends ihre erste Einzahlung am Bankautomaten geleistet und morgen kann sie das Ergebnis mit Amazon Alexa oder Echo abfragen.
Omnichannel-Vorteile
Eine Omnichannel-Strategie bringt für ein Unternehmen und seine Kunden etliche Vorteile:
  • Durch eine kanalübergreifend optimierte Customer
  • Journey sinkt die Zahl frustbedingter Kaufabbrüche
  • Mehr Individualisierung durch eine zeitsparende, omnipräsent personalisierte Kundenansprache
  • Kostensenkungen durch eine auf Effizienz ausgelegte Kundenbetreuung mit reibungsloser Weiterleitung an den bevorzugten Kanal
  • Höhere Kundenloyalität durch allumfassenden Service in Echtzeit
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