KI-Strategie für Deutschland

Amazon, Google & Co.

von - 05.03.2021
Build or buy - woher kommt die KI?
Fehlendes Know-how: Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen setzen bei der KI-Einführung auf eingekaufte Anwendungen.
(Quelle: Deliotte-Studie "State of AI in the Enterprise - 3rd Edition", n = 201 )
Trotz zahlreicher deutscher Unternehmen, die bereits heute innovative Lösungen rund um Künstliche Intelligenz entwickeln, wie das eingangs erwähnte Start-up - denkt man an KI, dann hat man meist nur die US-amerikanischen Tech-Riesen wie Amazon, Google oder Microsoft auf dem Schirm. Damit tut man der deutschen Forschung aber unrecht, wie Gisela Lanza vom Karlsruher Institut für Technologie anmerkt: „Auch deutsche Forscherinnen und Forscher bringen KI-Themen voran und entwickeln Innovationen im Bereich KI. Im Produk­tionsumfeld, etwa in der Automobilindustrie, der Elektro- und Medizintechnik oder im Maschinenbau, ist KI eines von vielen zentralen Forschungsfeldern hierzulande.“ Zudem verweist sie auf die zahlreichen großen Forschungszentren, etwa das Cyber Valley in Tübingen. „Aber auch unternehmensgetriebene Forschungs-Campus-Teams erarbeiten KI-Themen.“ 
Und dennoch: Fehlen uns in Deutschland nicht Tech-Giganten wie Google, die mit viel Geld, großen Forschungs-Teams und enorm vielen Daten ganz andere Möglichkeiten für Entwicklungen haben? „Die Datenmenge spielt eine zentrale Rolle in KI-Ansätzen“, bestätigt Gisela Lanza. In Deutschland sei dabei die wichtige Frage: Wer besitzt die Daten? Hier seien wir in technischen Anwendungen im Bereich der Industrie, insbesondere in den Fabriken, sogar im Vorteil gegenüber Unternehmen wie etwa Google. „Natürlich gibt es viele US-Anbieter von Social-Media-Plattformen, die sowohl über Unmengen an Daten verfügen als auch über die nötige Hardware zur Datenverarbeitung. Es ist sicherlich erforderlich, dass wir auch gemeinsam mit der Politik weiter in IT-Infrastrukturen investieren, um den Anschluss nicht zu verlieren.“
Marc Fliehe sieht übrigens grundsätzlich erst einmal keine Korrelation zwischen der Fähigkeit zur Datenverarbeitung und der Größe von Unternehmen: Für die Verarbeitung großer Datenmengen brauche es nicht unbedingt große Firmen, stattdessen könnte auch auf Cloud-Angebote zurückgegriffen werden. Etwas anderes gelte allerdings für die Verfügbarkeit großer Datenmengen. „Das Ziel sollte nicht sein, dass einige große Unternehmen große Datenmengen nur für sich generieren. Besonders nicht, um eine Monopolstellung aufbauen zu können und diese perspektivisch weiter auszubauen“, so Fliehe
Andreas Raabe von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gibt zu bedenken, dass für viele Einsatzszenarien aktuelle Verfahren des maschinellen Lernens schlicht immense Datenmengen benötigen. Und solche Datenmengen könnten nur von den ganz großen Unternehmen wie Google oder Amazon gewonnen werden. „Dass hier amerikanische Firmen vorne liegen, ist jedoch nicht KI-spezifisch, sondern betrifft viele Bereiche der Informationsverarbeitung und rührt vor allem aus der zunehmenden Monopolisierung dieser Märkte, die teilweise bereits seit den 80er-Jahren voranschreitet.“ Viele Verfahren benötigten enorme Rechenleistung, die nur diesen Technologie-Riesen zur Verfügung stehe. Die Folge: „Gerade im Fall des maschinellen Lernens ist daher ein wichtiges aktuelles Forschungsziel, aus kleineren Datenmengen und mit geringerem Rechenaufwand valide Informationen gewinnen zu können.“
Wenn es um das Thema Daten geht, dann ist in Deutschland auch der Datenschutz ein entscheidender Faktor. Er hat hierzulande einen hohen Stellenwert - was wichtig und richtig ist. „KI ist kein Selbstzweck. Sie sollte dort gezielt eingesetzt werden, wo sie für Unternehmen oder Privatpersonen einen konkreten Nutzen bringt“, fordert Gisela Lanza.
Darüber hinaus gibt es Andreas Raabe zufolge aber wenig in Sachen KI, was die Amerikaner besser könnten als wir: „Wir sind sowohl im Grundlagenbereich gut, als auch darin, die Erkenntnisse erfolgreich in Anwendungen einzusetzen.“ Die eigentliche Monetarisierung sei bei uns allerdings schwierig. Das sei bei der Künstlichen Intelligenz nicht anders als in vielen anderen Bereichen. „Wir tun uns in Deutschland sicherlich ein Stück schwerer damit, unsere grundlagenwissenschaftlichen Erfolge wirtschaftlich zu verwerten.“
Ein großer Unterschied liegt laut Marc Fliehe zudem im Umgang mit Innovationen: „Während in den USA Neuheiten vielleicht noch unausgereift auf den Markt kommen und in der Nutzung reifen, sind wir in Deutschland und Europa risiko­averser und wollen, dass Produkte und Anwendungen erst auf den Markt kommen, wenn sie einen gewissen Reifegrad erreicht haben.“ Damit seien wir in Europa nun mal langsamer im Hinblick auf die Einführung von Innovationen, „gleichzeitig ist ihre Nutzung zuvor bereits in einem geschützteren Rahmen vorher erprobt worden.“ 
Enquete-Kommission des Bundestages
Der Deutsche Bundestag hat im Juni 2018 mit einer Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die den zukünftigen Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf unser Leben, die deutsche Wirtschaft und die zukünftige Arbeitswelt untersuchen sollte. Die Kommission setzte sich aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages und sachverständigen externen Expertinnen und Experten zusammen.
Nach knapp zweijähriger Arbeit veröffentlichte die Enquete-Kommission im vergangenen Oktober ihren Abschlussbericht – mit einem Umfang von mehr als 800 Seiten.
Der Bericht steht unter dem Leitbild einer „menschenzen­trierten Künstlichen Intelligenz“. Die Abgeordneten und Experten sehen die KI-Technologie als „die nächste Stufe einer durch technologischen Fortschritt getriebenen Digitalisierung“. Zudem gehe mit der Entwicklung ein Wertewandel einher, der zwar grundsätzlich nicht schlecht sei, aber einer „demokratischen Gestaltung“ bedürfe. Der Fokus auf den Menschen bedeutet laut Bericht, „dass KI-Anwendungen vorrangig auf das Wohl und die Würde der Menschen ausgerichtet sein und einen gesellschaftlichen Nutzen bringen sollten“. Mit dieser Grundidee lasse sich das positive Potenzial von Künstlicher Intelligenz ausschöpfen und das Vertrauen der Nutzer stärken. Die Enquete-Kommission sieht dieses Vertrauen als „grund­legenden Schlüssel für die gesellschaftliche Akzeptanz und den wirtschaftlichen Erfolg dieser Technologie“. Und dieser Erfolg sei notwendig, um sich mit einer „KI made in Germany“ beziehungsweise „KI made in Europe“ von den Ansätzen US-amerikanischer oder chinesischer Künstlicher Intelligenz abzugrenzen.
Eine der Herausforderungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist eine diskiminierungsfreie Technologie. Zu dem unter dem Stichwort Bias diskutierten Risiko diskriminierender KI-Anwendung empfiehlt die Kommission, den Transfer bereits bestehender Forschungserkenntnisse zu Diskriminierungserkennung und -vermeidung in den Software-Entwicklungsalltag zu fördern. Individuen müssten zudem in die Lage versetzt werden, sich gegen Diskriminierung durch KI zu wehren. Um dies sicherzustellen, brauche es einen Anspruch auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen, damit eine gerichtliche Überprüfung automatisierter Entscheidungen möglich sei.
Der vollständige Enquete-Bericht steht zum Download zur Verfügung unter:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/237/1923700.pdf
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