Status quo

KI-Strategie für Deutschland

von - 05.03.2021
Künstliche Intelligenz
Foto: Viktoriya / shutterstock.com
Ohne den Einsatz von KI könnte es künftig schwer werden, wettbewerbsfähig zu sein. Viele Deutsche Unternehmen haben dennoch Probleme mit der Einführung entsprechender Lösungen.
Die Idee kam Valentin Belser und Jakob Breu­ninger beim Mittagessen in der Uni-Mensa: Kurz vor Schließung gab es noch eine größere Menge an frisch gekochtem Essen, es kamen aber nur noch wenige Gäste - zu wenige, um das alles noch aufzuessen. Geboren war die Idee für das Start-up Delicious Data: Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, Lebensmittelabfälle in der Gastronomie zu vermeiden.
Damit gingen die Gründer ein Dilemma an, vor dem fast alle Gastromiebetriebe, Kantinen und Bäckereien stehen: Wenn sie bis zum Schluss alle Gerichte anbieten, dann freuen sich zwar die Kunden, aber die Gefahr ist groß, dass am Ende einiges an Essen in der Mülltonne landet. Und wenn man das Angebot an Speisen oder Brot zum Ladenschluss hin reduziert, dann reagiert so mancher Kunde verärgert. Delicious Data will das Problem beheben, indem ein Algorithmus etwa die Verkaufshistorie analysiert und mit aktuellen Gegebenheiten wie dem Wetter oder der Urlaubszeit korreliert. Gastronomen oder Bäckereien sollen auf diese Weise die Zahl der vorbereiteten Produkte optimieren. Dem Start-up zufolge soll sich so beispielsweise der Wareneinsatz um 4 Prozent verringern lassen. Die Münchner Großbäckerei Höflinger Müller und die Kantine der Ergo-Versicherung setzen bei ihrer Planung bereits auf die KI von Delicious Data.

KI - nur ein Buzzword?

Das Münchner Start-up ist nur eines von vielen, aber häufig kaum bekannten Unternehmen, die Künstliche Intelligenz „made in Germany“ anbieten. Hinzu kommt: Die Deutschen haben noch wenig Ahnung davon, was Künstliche Intelligenz eigentlich ist und was sie kann.
Das bestätigt eine im vergangenen Sommer veröffentlichte Studie des Bayerischen Forschungs­instituts für Digitale Transformation (bidt), einem Institut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Danach gaben rund drei Viertel der Befragten an, nur in etwa oder gar nicht darüber Bescheid zu wissen oder erklären zu können, was KI ist. Bei der Frage, welche Nation bei Künstlicher Intelligenz weltweit führend ist, geht die Unwissenheit noch weiter: Ein Viertel traute sich kein Urteil zu. 53 Prozent der Teilnehmer befüchteten dennoch, Deutschland könne im weltweiten Wettlauf abgehängt werden.
Auch wenn es hierzulande schon einige KI-Anwendungen gibt, so müsse jenseits der Frage, wie verbreitet KI bereits ist, der Fokus stärker auf Transparenz gelegt werden, so Marc Fliehe, Bereichsleiter Digitalisierung und IT-Sicherheit beim TÜV-Verband: „Viele Menschen wissen gar nicht, wo KI überall zum Einsatz kommt und wie sie funktioniert. Damit KI für viele mehr ist als ein Buzzword, ist es dringend erforderlich, für mehr Wissen und Mündigkeit zu sorgen.“
Andreas Raabe, Programmdirektor in der Gruppe Mathematik und Ingenieurwissenschaften 2 bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sieht darüber hinaus zwei grundsätzliche Probleme: Zum einen sei weitgehend unklar, was genau mit dem Begriff KI gemeint ist. Dies sei sogar aktueller Gegenstand der Debatte im wissenschaftlichen Umfeld, „in der öffentlichen Debatte ist die Spannweite dessen, was als KI bezeichnet wird, noch breiter.“ Im technischen Bereich reicht sie laut Raabe von sehr spezifischen Schlussfolgerungsansätzen über maschinelles Lernen bis hin zu autonomen Systemen oder Robotern mit eingeschränkter eigener Entscheidungsfähigkeit. Das zweite Problem sei, dass schon eine Einordnung, was technisch bereits möglich ist, was in greifbarer Nähe oder was schlicht Science-Fiction ist, ein gewisses technisches Verständnis der betreffenden Verfahren erfordere.
Dr. Gisela Lanza
Dr. Gisela Lanza
Leiterin des wbk Instituts für Produktionstechnik
am Karlsruher Institut für Technologie www.wbk.kit.edu
Foto: Karlsruher Institut für Technologie
„KI ist kein Selbstzweck. Sie sollte dort gezielt eingesetzt werden, wo sie für Unternehmen oder Privatpersonen einen konkreten Nutzen bringt.“
Entsprechend schwierig ist Andreas Raabe zufolge eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema. „Es würde daher sicherlich helfen, wenn weniger über Künstliche Intelligenz als Sammelbegriff und im Allgemeinen gesprochen, sondern zumindest klar nach Einsatzfeldern unterschieden würde. Damit wäre auch der Stand der tatsächlichen technischen Möglichkeiten im jeweiligen Bereich mit Beispielen beschreibbar.“
Industrie 4.0, Big Data, digitale Zwillinge oder Künstliche Intelligenz - in der Öffentlichkeit sind diese Buzzwords zwar weitverbreitet, „jedoch verstehen viele Menschen darunter alles, was mit Daten automatisiert abläuft, und kennen die Zusammenhänge kaum“, ergänzt Gisela Lanza, Professorin und Leiterin des wbk Instituts für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Allerdings sehen wir, dass insbesondere junge Studierende sich sehr intensiv mit der Technologie auseinandersetzen.“ Zudem bestehe in der Generation Z - die etwa die Geburtsjahrgänge von Mitte der 1990- bis Anfang der 2010er-Jahre umfasst - eine generell höhere Offenheit gegenüber Künstlicher Intelligenz. „In Zukunft werden wir sicher noch viel natürlicher in der breiten Masse über KI und Digitalisierung sprechen, da junge Menschen heute schon ganz natürlich damit aufwachsen.“ Doch auch die Verbreitung von KI in den Fachabteilungen der Unternehmen sei nicht zu unterschätzen, betont Gisela Lanza.
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