Junge Leute in Entscheidungspositionen sind wichtig

com! professional: Über dem Nordstern des Unternehmens?
Samuel Koch
Samuel Koch:
Autor und Mitgründer von WizHub
(Quelle: Lukas Beck )
Koch: Ich meine damit das übergeordnete große Ziel jedes Unternehmens. Das muss man durchziehen - von der Start-up-Phase bis zum Corporate.
Doch wenn ich mit Führungskräften spreche, stellen wir oft fest, dass in vielen Unternehmen nicht jeder Mitarbeiter weiß, was der Nordstern eigentlich ist. Dabei sollte das jeder Angestellte in Fleisch und Blut haben. Denn dann richten sich die Leute danach aus - und die Chefetage kann damit beginnen, Kontrollstrukturen abzubauen.
com! professional: Kontrolle ist ein guter Punkt. Lässt man die jungen Leute mit ihren Ideen einfach laufen? Und: Wo zieht man die Reißleine, wenn es doch nicht funktioniert?
Koch: Kontrolle basiert für mich immer auf Misstrauen - und das hat noch nie gut gerochen. Aber diese Moonshots, die Sie ansprechen, sind absolut notwendig.
Mein erster Rat an Corporates wäre, eine Division zu gründen, die nur das Ziel hat, das eigene Unternehmen zu zerstören, bevor es jemand anderes macht. Schauen Sie sich die großen Namen wie Google, Facebook oder Amazon an: Deren Philosophie ist es, dass die neuesten Geschäftsideen in genau diesen Nebendivisionen entstehen, die darauf abzielen, außerhalb des Geschäftsalltags querzudenken. Generell würde ich wie in einer Start-up-Kultur zu flachen Hierarchien raten.
com! professional: Taugt die Führungskultur in Start-ups tatsächlich als Vorbild? Gerade in erfolgreichen Firmen werden die Mitarbeiter häufig größtenteils anhand von Kennzahlen und Leistungszielen bewertet?
Koch: Sie meinen, die Unmenschlichkeit steigt mit der Skalierung? Ja, leider ist das oft zu beobachten. Ein Grund dafür ist, dass in der Führungsebene der Mensch oft nicht an erster Stelle steht. Es gibt in Start-ups zwei Themen, die Corporates adaptieren können. Das eine ist die Orientierung am Nordstern. Und das andere sind Führungspersönlichkeiten, die wirtschaftliche Interessen und Menschlichkeit intrinsisch in sich tragen. Die Nachfrage nach guten Führungspersönlichkeiten ist riesig.
com! professional: Ihnen ist auch die Politik ein großes Anliegen. Nun ist jemand wie Sebastian Kurz ja noch verhältnismäßig jung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen sprach noch vor nicht allzu langer Zeit von „digitalem Neuland“. Wie muss Politik organisiert sein, um für die Zukunft die richtigen Weichen zu stellen?
Koch: Das Erste, was mir einfällt, ist, dass die Politik die Träume und Utopien der jungen Generation nicht belächeln darf, sondern ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen muss. Wir sind leider in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo professionelles Träumen grundsätzlich skeptisch angesehen wird. Aber ich verfolge die deutsche Politik stark und erkenne Bewegung.
Konkret sollte sich Frau Merkel einen Thinktank von jungen Leuten zwischen 20 und 30 Jahren aufbauen und sich mit ihnen einmal im Quartal zusammensetzen und ohne parteipolitisches Buch über unsere Zukunft nachdenken und unsere Utopien verstehen lernen. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn in den kommenden 20 Jahren 20 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen? Und wie können wir aus Deutschland he­raus Europas Anschluss an die USA und Asien sichern - und zwar auf Basis der Werte, die wir in Europa haben.
com! professional: Was wäre abschließend Ihr wichtigster Appell an die Unternehmen?
Koch: Auf Englisch wäre das: „Happiness over Money“. Wenn Freude im Unternehmen ist - vom Chef bis zum letzten Mitarbeiter -, dann wird das die Performance zum Positiven verändern. Und darüber müssen wir einen Diskurs führen.
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