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IT-Trends - Prognosen aus der Glaskugel

von - 02.12.2015
IT-Trends - Prognosen aus der Glaskugel
Foto: Mathias Vietmeier
Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen, wusste schon Karl Valentin. Ein Kommentar von Hartmut Wiehr, dem Tech-Nodes-Kolumnisten von com! professional.
Sagenhafte Gewinne ließen sich einfahren und viele Fehlinvestitionen vermeiden, wenn man wüsste, ob und wann aus einer Innovation eine marktrelevante Technologie wird.
Als Trend-Barometer für IT-Unternehmen dient sich Jahr für Jahr der „Gartner Hype Cycle Special Report“ an. Er soll IT-Administratoren und -Entscheidern einen Überblick über das wechselvolle Auf und Ab angesagter Technologien verschaffen. In der aktuellen Ausgabe nimmt die Unternehmensberatung über 2000 moderne Technologien unter die Lupe. Eine Auswahl veröffentlicht sie in der Studie „Hype Cycle for Emerging Technologies 2015“. Aber es fragt sich, ob mehr dahintersteckt als ein ganz und gar unverbindlicher Blick in die Glaskugel.
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor mit Wohnsitz in Italien
Gartners Trick ist es, allen Technologien so etwas wie einen natürlichen Lebenslauf zu unterstellen – wie weiland schon Oswald Spengler den Kulturen der Welt ein gleichsam naturgesetzliches Werden und Vergehen zuschrieb, um dem Abendland seinen Untergang prophezeien zu können. Auch da schon mit begrenztem Erkenntnisgewinn.
Gartner nun erzeugt mit der Abstraktion eines Hype Cycle den Eindruck, als gäbe es so etwas wie eine fixe Abfolge an Phasen auch bei IT-Erfindungen: Etwas wird entwickelt und vorgestellt – oder „man“ spricht darüber – und dann werden Technologien oder Produkte mit der Zeit „reifer“. Oder auch nicht und sie stürzen ab und verschwinden aus dem Radius der Aufmerksamkeit. Solange sie im Cycle drin sind, ist das eine taugliche Sache für das Marketing von Herstellern.

Fröhliches Lesen im Kaffeesatz

Gartner stuft die Technologien nach dem Grad ihrer Durchsetzung oder dem „Maturity Level“ ein und leitet daraus ab, ob und wann sie es bis zum Markterfolg schaffen. Schaut man sich die aktuellen Prognosen von Gartner an, dann wachsen schnell die Zweifel, ob sich daraus wirklich ein praktischer Nutzwert ableiten lässt. So schafft manches, was heute hoch bewertet wird, laut Gartner vielleicht erst in fünf bis zehn Jahren die Marktreife, etwa 3D-Printing im Consumer-Bereich oder Wearables. Aber auch Virtual Reality und Augmented Reality gehören für Gartner immer noch in die Abteilung Zukunftsmusik – obwohl Hersteller schon seit über zwanzig Jahren vergeblich versuchen, mit klobigen Brillen und Geräten, die man sich über den Kopf stülpen soll, neue Formen von Realität zu erzeugen. Auch im Kino sind solche Ansätze schon gescheitert. Ein Film bleibt nun einmal ein Film, auch wenn man ihn sich umständlich mit einer 3D-Brille ansieht.
Zu den Dingen, die „on the rise“ oder aufsteigend im Zy­klus sein sollen, zählen die Analysten zum Beispiel Digital Security und Connected Home. Digital Security soll zu einer neuen Verschmelzung von Cybersecurity und Business führen und wird von Gartner selbst als „embryonal“ eingestuft. Da könnte sich also was draus entwickeln – oder auch nicht. Und das Connected Home spukt schon etliche Jahre durchs Marketing und die Gazetten. Doch noch hat niemand den berühmten Kühlschrank gesehen, der von selbst die Sachen nachbestellt, von denen bald nichts mehr da ist. Wie soll das eigentlich funktionieren und wozu soll das gut sein? Erinnert sich eigentlich noch jemand an „Green IT“?
Anstatt allen möglichen Technologien und Produkten der IT einen natürlichen Reifeprozess zu unterstellen, wäre vielleicht einfach mehr gesunder Menschenverstand bei ihrer Beurteilung angebracht.
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