Wir führen Firmen zu mehr Diversität

Fachkräftemangel und Diversität

von - 22.10.2019
com! professional: Es herrscht Fachkräftemangel. Eigentlich sollte es Ihr Unternehmen gar nicht brauchen.
Vuillerat: Aktuell betreuen wir fast 60 Frauen mit technischem Background in unserem Talent-Pool. Manche von ihnen haben über 80 Bewerbungen geschrieben.
Fischer: Wir haben heute die am besten ausgebildete weibliche Generation, die es jemals in der Weltgeschichte ge­geben hat. Das sehen wir auch an unserem Talent-Pool. Die Frauen bringen allesamt
Nadia Fischer
Nadia Fischer: Mitgründerin von Witty Works
(Quelle: Samuel Trümpy )
eine gute Ausbildung und jahrelange Erfahrung mit. Unsere Recherchen mit Fokus-Gruppen weiblicher Tech-Talente haben uns aber gezeigt, dass es für Frauen um einiges schwieriger ist, überhaupt zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Oft werden sie in den Rekrutierungsprozessen einfach abgelehnt. Entweder erhalten sie gleich nach der ersten Runde eine Absage oder sogar bereits nach dem Anschreiben. Das führen wir auf das Bias zurück, das in den Unternehmen vorherrscht.
com! professional: Sie haben das Paper „How to de-bias job ads for Women in Tech & Digital“ veröffentlicht. Welches sind die typischen Fehler, mit denen Unternehmen potenzielle Bewerberinnen vor den Kopf stoßen?
Vuillerat: Das beginnt bereits bei der Job-Bezeichnung. Da steht etwa in einem Inserat Projektleiter/-in oder Projektleiter (m/w). Das erzeugt beim Lesen das innere Bild eines Projektleiters, nicht aber einer Projektleiterin. Dem kann man einfach entgegenwirken. Anstatt ein (m/w) hintenan zu stellen, kann man auch Projektleitung schreiben. Ein weiterer Faktor, der gern unterschätzt wird, ist die Kultur. Über diese sprechen Unternehmen viel zu wenig in Inseraten. Dafür liest man viele Superlative wie „Wir sind der führende Hersteller von …“. Diese Sprache schreckt Frauen ab - und auch viele Männer. Die Resultate der Fokus-Gruppen deuten klar darauf hin, dass Frauen zuerst die Beschreibung des Jobs anschauen und sich dann sofort mit der Kultur des Unternehmens beschäftigen. Darum ist auch der Auftritt eines Unternehmens über die Corporate-Seite oder in den sozialen Medien wichtig.
com! professional: Was empfehlen Sie noch?
Fischer: Frauen bewerben sich nur dann, wenn sie mehr als  90 Prozent der Anforderungen abdecken. Sie sind diesbezüglich pflichtbewusster als Männer, da sie so erzogen wurden. Je mehr Anforderungen man in der Annonce nennt, desto eher sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauen auf die Stelle bewerben. Deshalb ist es wichtig, dass man sich überlegt, welches die zwingend erforderlichen Hard und Soft Skills sind, und diese in wenigen Punkten aufzählt. Wir beschränken uns auf vier. Alles Weitere kann man im Bewerbungsgespräch klären.
Noch immer meinen Firmen, sie können mit einem Inserat rausgehen und erhalten 200 Bewerbungen von IT-Fachkräften. Mit Glück sind es 30, oft weniger. Daher muss man am Anfang den Trichter weit öffnen, um möglichst viele Dossiers zu erhalten.
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