Faire Koexistenz zwischen Online- und Offline-Handel

Fokus liegt auf dem Fachhandel

von - 30.04.2019
com! professional: Das ist nobel, aber glauben Sie nicht, dass Sie mit der Fokussierung auf den Fachhandel ein totes Pferd reiten? Jede zweite Produktsuche startet inzwischen auf Amazon. Welche Chance haben die kleinen Händler da noch?
Esslinger: Es stimmt, der Fachhandel hat es zunehmend schwer, sich durchzusetzen. Aber wir sehen für ihn trotzdem eine Zukunft - zumal sich jetzt auch das Kartellamt dem Thema Machtmissbrauch durch Amazon widmet. Und schauen Sie sich die Situation in den USA an. Da ­wurde der Fachhandel wirklich an die Wand ­gedrückt und die Marken gehen der Reihe nach zu Amazon, weil ihnen versichert wird, dass Händler, die unter bestimmten Preisschwellen verkaufen, von der Plattform fliegen. Und was passiert: Zu jedem Produkt finden sich Händler, die alle zum selben Preis verkaufen. Aber ganz oben im Ranking steht Amazon Prime. Wo bestellt da der Kunde? Am Ende des Tages kann bei diesem Spiel nur Amazon gewinnen.
com! professional: Ortlieb ist eine der wenigen Marken, die sich vor Gericht etliche Scharmützel gegen Amazon liefern. Sie wehren sich gegen die Verwendung Ihrer Markenbilder und gegen die Manipulation von Suchergebnissen. Warum dieser Aufwand?
Esslinger: Wir machen das aus eigenem, intrinsischem Inte­resse. Wenn wir uns nicht wehren, verwässert unsere Marke. Wir laufen Gefahr, austauschbar zu werden und unseren Premiumstatus zu verlieren. Das gilt natürlich nicht nur für uns, sondern auch für andere Marken. Am ­Ende des Tages wird diese Entwicklung dazu führen, dass es immer weniger Marken geben wird. Das kann natürlich nicht im Interesse eines Markenherstellers sein, noch ist das eine positive Entwicklung für den Endverbraucher, der Markenvielfalt schätzt.
com! professional: Vor Kurzem ging Ihr eigener Online-Shop online. Und auch da binden Sie wieder Ihre Fachhandelspartner ein. Wie funktioniert die Auftragsvergabe?
Esslinger: Es ist bei uns nicht so, dass der Händler, der als Erstes die Hand hebt, den Auftrag bekommt. Stattdessen sucht sich der Kunde den Händler selbst aus und kann beispielsweise gezielt den Händler um die Ecke bevorzugen, weil er sich im Fall von Fragen oder Problemen auch ­direkt an ihn wenden kann und soll. Den Versand der Produkte organisieren wir, oder aber der Kunde holt sich die Ware beim Händler seines Vertrauens ab. Click & Collect haben wir allerdings schon seit Jahren angeboten. Im nächsten Schritt würden wir gerne Verfügbarkeiten der stationären Händler online anzeigen. Da aber nicht alle Händler über die dafür notwendigen Systeme verfügen, müssen wir ­zusammen mit dem Fachhandel noch ein bisschen daran arbeiten.
com! professional: Fachhändler, die selbst einen Online-Shop betreiben, unterstützen Sie durch das neue Qualitätssiegel „authorized.by“. Damit können Händler signalisieren, dass sie von Ihnen zum Vertrieb der Ortlieb-Produkte autorisiert wurden. Das Siegel ist noch nicht sehr verbreitet. Sie sind einer der ersten Partner. Was erwarten Sie sich?
Esslinger: Wir finden das einen interessanten Ansatz und unterstützen diesen gerne. Nur wenn viele Marken mitgehen und das Siegel bekannt wird, kann es langfristig erfolgreich sein. Wenn Sie so wollen, helfen wir dabei, das Siegel ein Stück weit in unsere Branche zu tragen und andere Marken zu motivieren, das Siegel ebenfalls einzubinden.
com! professional: Müssen Händler das Siegel künftig anbieten oder ist das nur eine Option?
Esslinger: Wir schreiben das nicht vor. Es wäre sicher ein gutes Qualitätskriterium gewesen, aber für einen selektiven Vertriebsvertrag zu spezifisch. Da würde man eine eigene Klausel benötigen und das ist rechtlich schon wieder schwierig. Aber wir wollen schon versuchen, unsere Händler zu motivieren. Wir haben, Selektivvertrieb-unabhängig, ein Premiumhändler-Konzept. Da könnte man zum Beispiel sagen, Premiumhändler ist ­jemand, der auch dieses Thema mitgeht und das Siegel einbindet.
Ortlieb in Zahlen
Die Idee zu Ortlieb entstand im Frühjahr 1981 auf einer verregneten Radtour durch Südengland. Als ein Lkw an ihm vorbeifuhr, dessen Ladung durch die Plane trocken blieb, hatte Hartmut Ortlieb die Idee, aus Lkw-Planen wasserdichte Radtaschen zu produzieren.
  • Heute umfasst das Sortiment 500 Einzelprodukte
  • Für Ortlieb arbeiten 186 Mitarbeiter
  • Der Jahresumsatz 2017 wird von Branchenbeobachtern auf 40 Millionen Euro geschätzt
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