Faire Koexistenz zwischen Online- und Offline-Handel

Auch selektiver Vertrieb ist nicht hundertprozentig kontrollierbar

von - 30.04.2019
com! professional: Trotz Ihrer Vertriebsvorgaben ist hier und da ein Ortlieb-Produkt auf Amazon zu finden. Wie das?
Esslinger: Sie bekommen die Situation auch mit einem selektiven Vertrieb, der im gesamten europäischen
Ortlieb-Tasche auf Fahrrad-Gepäckträger
Beratungsintensiv: Ortlieb-Satteltaschen müssen richtig befestigt werden, sonst können sie in die Speichen geraten.
(Quelle: Ortlieb)
Wirtschaftsraum umgesetzt ist, nicht hundertprozentig in den Griff, wenn Sie nicht beispielsweise RFID-Chips nutzen, um bei Produkten, die auf Amazon auf­tauchen, die Herkunft zu überprüfen. In der Parfümbranche wird das etwa so gehandhabt. Im Sportbereich arbeitet unter anderem Asics schon so. Ohne eine solch teure Technologie im Hintergrund kann eine Marke nur darauf vertrauen, dass die Händler verstehen, dass das System für sie gemacht wurde, und nach den Regeln spielen.
Aber wie im richtigen Leben auch, spielt eben nicht jeder nach den Regeln. Wir haben immer wieder Händler, die Ware auf Amazon anbieten - aus welchen Gründen auch immer. Das sehen wir schnell und können gegensteuern, weil wir ein entsprechendes Screening betreiben. Aber ­sobald Ware über den Graumarkt kommt, also autorisierte Händler ­Ware an unautorisierte Zwischenhändler oder Amazon direkt verkaufen, haben wir Stand heute keine richtige Handhabe.
com! professional: Zum 1. Januar haben Sie sich für den ­Online-Handel geöffnet. Was erwarten Sie von Pure Playern, die Ihre Ware verkaufen dürfen?
Esslinger: Uns wird ja immer vorgeworfen, dass wir etwas gegen Online-Händler haben. Aber das ist nicht richtig. Es geht uns nur um eine faire Koexistenz zwischen Online-, Offline- und Multichannel-Händlern. Als wir 2011 unseren selektiven Vertrag eingeführt haben, war für uns ganz klar, dass online nur Multichannel-Händler verkaufen können, weil man eine stationäre Komponente braucht, um ­unsere Produkte erlebbar zu machen und zu erklären. Doch die Zeiten haben sich gewandelt und wir erkennen an, dass ­mittlerweile sehr guter Fachhandel auch ausschließlich online stattfinden kann. Deswegen haben wir unsere Kriterien entsprechend angepasst und den Weg für ­reine Online-Händler geebnet. Derjenige, der keine stationäre Fläche hat, muss dies durch hohe Produktkompetenz und Fachhandelsbezug kompensieren. Da­rüber ­hinaus haben wir für alle Händler neue Qualitätskriterien eingeführt. Viel von dem, was erst in den letzten Jahren entstanden ist - beispielsweise der Verkauf über soziale Medien -, konnten wir qualitativ bislang nicht fassen. Aber auch hier wollen wir die Hoheit behalten und definieren, wie wir in diesen Umfeldern als Marke präsentiert werden.
com! professional: Wie viele Online-Händler nehmen Sie denn tatsächlich neu auf?
Esslinger: Bisher keinen einzigen. Wir schauen uns erst alles genau an und wollen den Vertrag erst einmal mit unseren bestehenden Partnern umsetzen. Erst ­danach werden wir schauen, wo es für ­unsere Marke Sinn ergibt, sich zu erweitern. Hintergrund unseres selektiven ­Systems ist, dass unsere Marke für alle Händler planbar ist und nicht plötzlich ein Händler auftaucht, der für extreme Verschiebungen im Markt sorgt. Im Sinne ­einer klaren und nachhaltigen Strategie werden wir uns sehr genau anschauen, was die Aufnahme eines Händlers für ­unsere bereits angeschlossenen Fachhandelspartner bedeutet und was sinnvoll ist und was nicht.
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