Erfolgreiche IT-Projekte in stürmischen Zeiten

Agil oder klassisch?

von - 21.04.2021
Im Projektmanagement gibt es ein Schlagwort, mit dem alles besser gehen soll: Agilität. Damit sollen sich Projekte flexi­bler und schneller umsetzen lassen. Agilität soll helfen, auf Veränderungen und unvorhersehbare Ereignisse besser zu reagieren. Scrum und Kanban sind beim agilen Projektmanagement, insbesondere bei der Software-Entwicklung, die wohl bekanntesten Vorgehensweisen.„‚Agil‘ bezeichnet Methodiken in der Software-Entwicklung, die auf eine kundenorientierte Art und Weise der Produktentwicklung fokussieren - also endbenutzerzentriert und stark iterativ“, erklärt Gernot Gutjahr, Head of CIO Advisory bei der Unternehmens- und Managementberatung KPMG.
„Das ist ein riesiges Fass“, konstatiert Martin Obmann von tresmo. Grundsätzlich beschreibe Agilität eine Kultur zum iterativen und adaptiven Umgang mit Komplexität. „Es geht um die Anpassungsfähigkeit an sich ständig verändernde Rahmenbedingungen - was besonders bei innovativen Projekten immer der Fall ist.“ Traditionelle Methoden hingegen eigneten sich in vorab planbaren Domänen, in denen man Dinge nicht zum ersten Mal mache und dezidiertes Expertenwissen bereits vorhanden sei.
Martin Obmann
Martin Obmann
Gründer und Geschäftsführer
von tresmo
www.tresmo.de
Foto: tresmo
„Agilität ist ein riesiges Fass.“
Im klassischen Projektmanagement wird der Projektumfang im Detail vollständig vor Projektstart festgelegt. Zum Beispiel ist beim Outsourcing von IT-Projekten dieser detaillierte Projektumfang Vertragsbestandteil. Jedes Abweichen vom vorab definierten Umfang erfordert eine vertragliche Ergänzung, einen sogenannten Change Request. Anders bei einer agilen Vorgehensweise: Hier wird der Projekt­umfang nur grob detailliert. Die weitere Detaillierung erfolgt im Lauf des Projekts in Zusammenarbeit zwischen dem Projektteam und den zukünftigen Anwendern oder dem Auftraggeber als Sprecher der Anwender. „Der administrative Aufwand für Change Requests wird minimiert, das Projekt kann einfacher auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren“, erläutert Stefan Ebmeyer von Lufthansa Industry Solutions. Andererseits steige die Unsicherheit beim Auftraggeber, was er tatsächlich für sein Projektbudget am Ende der Laufzeit als Ergebnis erhalte.
Ganz neu ist das Thema Agilität nicht. Jochen Malinowski von Accenture zufolge erleben wir bereits die dritte Agilitätswelle: „In der ersten Welle hat sich Agilität auf die Software-Entwicklung beschränkt.“ Methodisch führte dies zu einer Abkehr von Wasserfall- oder V-Modellen hin zu Scrum und Kanban. In der zweiten Welle wurde laut Malinowski die agile Sichtweise dann auf ganze Projekte ausgedehnt. „Die dritte Welle möchte ich mit dem Begriff ‚Geschäftsagilität‘ umschreiben. Hier geht es darum, die gesamte Organisation, das Betriebsmodell, die Art der Führung und eben auch Technologie, Methoden und Infrastruktur agil zu gestalten. Wichtig sind niemals die Methodiken an sich, sondern die Ideen dahinter und das unterschiedliche ‚Mindset‘.“
Doch eignen sich agile Methoden angesichts all dieser vielen Vorteile tatsächlich für alle IT-Projekte? „Für Software-Projekte würde ich das uneingeschränkt bejahen“, so das klare Statement von Frank Jacobsen von Capgemini. Wenn das IT-Projekt allerdings auch Bauleistungen wie beispielsweise IT-In­frastrukturen beinhalte, dann müsse man es unter Umständen anders bewerten.
Laut Stefan Ebmeyer sind besonders IT-Projekte geeignet, in denen direkte Anwenderschnittstellen erstellt werden. Hier sorge der agile Ansatz dafür, dass die späteren Anwender ein Produkt erhielten, mit dem sie gut leben könnten und das sie akzeptierten. Auch er nennt als weniger geeignete Projekte solche, die sich mehr im Backend- oder im In­frastrukturbereich bewegen. „Hier gibt es beispielsweise viele Abhängigkeiten zu Nachbarsystemen, die man sinnvoll vor Projektstart komplett analysiert und deren Berücksichtigung Teil des Projektauftrags werden.“ Eine nicht im Detail analysierte Abhängigkeit oder Schnittstelle könne im Projektverlauf zu erheblichen Verzögerungen und Mehrkosten bis hin zum Scheitern des Projekts führen.
Heutzutage wird aber oft auch vorschnell von agilen Methoden gesprochen: „Es reicht nicht, nur ein Lippenbekenntnis abzugeben“, betont Lutz Keller von Consol. Der Wechsel zur Agilität sei ein anhaltender Prozess, der Bewegung im gesamten Unternehmen brauche und erzeuge. Dabei stünde nicht so sehr der Wechsel der Prozesse im Vordergrund, „vielmehr erfordert Agilität das Verinnerlichen neuer Denkweisen - das ist die eigentliche Herausforderung.“
Wichtig ist dabei, agile Methoden nicht als Allheilmittel zu sehen: Die reine Anwendung agiler Methoden macht aus einem Unternehmen noch lange kein agiles Unternehmen. Hierzu bedarf es einer Änderung in der Organisation, dem Betriebsmodell, der Kultur, der Art der Führung und in vielen anderen Punkten. Jochen Malinowski bestätigt das. Ihm zufolge sollte darüber hinaus auch eine intensive Auseinandersetzung mit den Methoden erfolgen. „Wir sehen in der Praxis vielfach, dass genutzte Methoden gar nicht ausreichend trainiert und verstanden, aber trotzdem schon als neuer Standard deklariert wurden.“ Das führe oft einfach zu keinem guten Ergebnis.
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