Die Digitalisierung mischt die Karten neu

Google setzt BMW und Daimler unter Druck

von - 05.03.2015
Man mag sich an der Ästhetik von Googles selbstfahrendem Spielzeugauto stören, aber für immer weniger Kunden gilt ein eigenes Fahrzeug als erstrebenswert. Das Auto hat unter der jüngeren Bevölkerung seinen Wert als Statussymbol eingebüßt; Carsharing und das Fahrrad sind zu beliebten Alternativen geworden. Das Auto muss praktischer und ökonomischer werden und zum Lifestyle passen. Das Auto muss digitalisiert und damit neu erfunden werden.
Mercedes F015 - Daimlers Vision des digitalen Autos
Mercedes F015: Daimlers Vision ist, dass das digitale Auto zum Habitat wird.
Auf der Consumer Electronics Show (CES) im Januar in Las Vegas haben Audi, BMW, VW und Daimler ihren Entwicklungsstand gezeigt. BMW und VW präsentierten dort immerhin Fahrzeuge, die von sich aus eine Parklücke fanden und sich perfekt hineinschoben. Ein A7 fuhr nahezu selbstständig vom Silicon Valley nach Las Vegas, in Deutschland legte so ein Mercedes die Strecke von Mannheim nach Pforzheim zurück. Wann diese Konzeptautos die Serienreife erreichen, ist aber unklar.
Google ist kein Autobauer, entwickelt aber trotzdem die Technologie für das digitalisierte Auto. Vereint zu einem Mesh-Netzwerk werden digitalisierte und autonom fahrende Pkw und Lkw die effizientesten Routen wählen, Stau-Gefahren frühzeitig ausmachen, kurzfristig Umfahrungen einplanen, spritsparende Kolonnen bilden und ihren Passagieren gleichzeitig die immer anstrengenderen Fahrten in vollkommen überlasteten Verkehrsnetzen abnehmen. Der Mensch als Fahrzeuglenker und Unfallquelle rückt alsbald in den Hintergrund und das Fahrzeug wird zum Habitat. Dass es so kommen wird, darüber ist sich die Branche einig.
Google Driverless Car: Ein Wolf im Schafspelz, denn die verbaute Technik setzt BMW und Daimler gehörig unter Druck.
Google als Big Player der Informationstechnik hat die Kapazitäten, um einen solchen Fahrzeugverbund in Echtzeit aktiv zu vernetzen und im Idealfall offene Standards für die Kommunikation und Koordination zu etablieren. Bereits in fünf Jahren will Google mit seiner Technologie die Marktreife erreichen. Und das Unternehmen gibt sich offen für die Zusammenarbeit mit Automobilherstellern. Google würde damit eine entscheidende Rolle im Ausrüstersegment einnehmen, könnte sogar selbst zum Autobauer werden, wird aber auf jeden Fall gehörigen Druck ausüben.
Vor Kurzem machten Gerüchte die Runde, dass auch Apple an einem Automobil arbeitet. Das Unternehmen aus Cuppertino bewies schon mit iTunes und iPhone, dass es für Revolutionen gut ist. Und auch der Taxi-Konkurrent Uber –  an dem übrigens Google beteiligt ist – verkündete, dass man sich auf dem Feld autonom fahrender Vehikel versuchen möchte.

Die Bundesregierung reagiert

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt
Alexander Dobrindt, Bundesverkehrsminister, will bis zur IAA im September ein Regelwerk vorlegen und dem „automatisierten Fahren in Deutschland weitere Dynamik“ verleihen.
(Quelle: Bundesregierung / Kugler )
Im Weg steht Herstellern in Deutschland auch die Straßenverkehrsordnung. Dort fehlt es in der Gesetzgebung an Regeln für autonomes Fahren. Praxistests sind damit schwierig, ein deutscher Markt für diese Fahrzeuge kann sich nicht etablieren und die forcierte Entwicklung solcher Mobile ist wenig lukrativ. Dabei lieben vor allem die deutschen Kunden Autos von deutschen Her­stellern.
Immerhin hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angekündigt, bis zur IAA im September ein Regelwerk vorzulegen, um damit dem „automatisierten Fahren in Deutschland weitere Dynamik“ zu verleihen. Auf einem Teil der A9 – die sich von Bayern bis nach Berlin erstreckt und die Landes- mit der Bundeshauptstadt verbindet – soll außerdem eine Teststrecke für das digitalisierte Auto entstehen. „Dort werden also Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und später auch vollautomatisierte Fahrzeuge fahren können“, sagte Dobrindt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und proklamierte: „Die deutsche Autoindustrie wird auch beim digitalen Auto Weltspitze sein können.“
Tangiert werden vom digitalisierten Auto unter anderem das Verkehrs- und das Haftungsrecht, weshalb eine klare Gesetzgebung unter Umständen noch viele Jahre dauern und zahlreiche gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen wird. Wer ist schuld, wenn das autonome Automobil einen Verkehrsunfall verursacht? Unterdessen kurven Googles ulkige Kabinen bereits über kalifornische Landstraßen.
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