Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten

Die eigenen Geschäftsprozesse innovativ verändern

von - 12.01.2016
com! professional: Was folgt daraus für Ihr Unternehmen?
Schieck: Man muss die Vision und die Haltung des Unternehmens vorleben, Begeisterung schaffen und die Menschen auf dem beschriebenen Weg der Veränderung mitnehmen. Wir versuchen, bei den Verantwortlichen Blockaden aufzubrechen. Das kann aber auch bedeuten, dass man Mitarbeiter verliert, wenn diese der neuen Ausrichtung nicht folgen möchten.
André Schieck: Er ist sowohl Geschäftsführer als auch Chefdigitalisierer.
(Quelle: GREY)
com! professional: Wie wollen Sie hier erfolgreich sein?
Schieck: Nun, wir sind kein Beratungsunternehmen für Change im Allgemeinen. Wir stellen unseren Kunden Fragen wie: „Was ist Ihr Geschäftsproblem? Wo haben Sie Optimierungsbedarf? Möchten Sie Ihren Umsatz in einem Geschäftsbereich steigern? Sind Ihre Kosten zu hoch?“ Mehr auf dieser Ebene. Danach geht es darum, zu analysieren, wo man zur Optimierung der Geschäftsziele und -prozesse ansetzen kann und wo IT und neue Digitalisierungsansätze helfen können.
Wir sehen uns dann auch die verschiedenen Touchpoints an und wie der Markenauftritt inklusive Packaging generell aussieht. Wie steht es mit dem Online-Auftritt und entsprechenden E-Commerce-Aktivitäten, ist dieses Potenzial bereits genutzt? Gibt es eine Produktneueinführung und muss Bekanntheit aufgebaut werden, etwa unter TV-Einsatz? Die Angebote sind heute sehr vielfältig. Wir müssen deshalb geeignete Berater finden und formen, die all diese Facetten vor den Kunden ausbreiten und Einfluss nehmen können.
com! professional: GREY musste sich also selbst anpassen?
Schieck: Ja, genau. Wir müssen alle Kanäle beobachten und kennen, die es am Markt gibt, egal ob Tageszeitungen und Magazine, Radio und TV, Plakatwerbung und Internet. Das Smartphone wird eine zentrale Rolle in diesem Kontext spielen. Wir müssen die Technologien kennen sowie die möglichen Einfluss- und Erfolgsfaktoren. Da hat sich sehr viel getan seit den 50er-Jahren, als GREY gegründet wurde. Der große Treiber sind heute die Smartphones, bis hin zum nächsten Schritt, dem Internet der Dinge, das unser Verhalten weiter verändern wird. Zur Illustration: Wir arbeiten gerade in Kooperation mit Braintags an einem Thema, das wir Re-Button nennen. Wir wollen etwas Ähnliches schaffen wie den Dash-Button von Amazon, mit dem automatisch Bestellungen platziert werden können, ohne dass man umständlich einen klassischen Bestellprozess auslösen muss. Hersteller wie Bayer setzen das bereits für Nachbestellungen in Krankenhäusern ein, um eine stete Versorgung zu sichern.
Herausforderung: Smartphones sind als ständige Begleiter stets an Ort und Stelle. Das verändert die Kundenansprache.
Herausforderung: Smartphones sind als ständige Begleiter stets an Ort und Stelle. Das verändert die Kundenansprache.
(Quelle:
Fotolia / bloomua_53960317 )
com! professional: Diese Entwicklung scheint damit aber zum Stillstand gekommen zu sein.
Schieck: Keineswegs. Die neuen Medien sind selbst einem Veränderungsprozess unterworfen. Man denke zum Beispiel an Web-TV oder Netflix, bei denen neue digitale Kommunikationsformen entstehen – und die für unsere Branche natürlich zusätzliche Ansatzpunkte liefern.
Wir müssen schauen, wie wir am Zeitgeist bleiben. Wir müssen solche Momente in die Gesamt-Customer-Journey einbinden. Wir müssen immer daran denken, was geht in dem Kunden oder Interessenten vor, wenn er ein Produkt kaufen will und deshalb mit diesen oder jenen Channels oder Touchpoints kommuniziert. Wir machen dafür Analysen und tiefenpsychologische Untersuchungen, um wirklich den Kern des Konsumentenverhaltens herauszufinden und um dann in dieser Customer-Journey die richtige Botschaft zur richtigen Zeit platzieren zu können.
com! professional: Also schauen Sie sich nach neuen Möglichkeiten und Technologien um.
Schieck: Wir sind kein Technologieunternehmen, müssen aber die Möglichkeiten und Technologien kennen und verstehen. Wir beraten schließlich darin, wie unsere Kunden ihre Geschäftsmodelle verbessern können. Wir glauben daran, dass man als Unternehmen in Zukunft nicht mehr alles selber machen kann. Bei vielen Unternehmen herrscht dagegen noch der Standpunkt des Selfmademan vor: „Das kriegen wir schon irgendwie allein hin.“
Wir öffnen uns hingegen und gehen mittlerweile viele Kooperationen ein, weil wir gelernt haben, dass wir eben nicht alles selber können. Wir ziehen das konsequent durch, denn das Vertrauen unserer Geschäftspartner ist uns wichtiger als jeder Euro mehr Umsatz. Durch Partnerschaften gelingt es uns, mehr Erfolg in der Durchführung unserer Aufgaben zu erzielen. Auf diese Weise können wir mehr reale Projekte aus der Taufe heben, als unseren Kunden immer nur alles in den schönsten Farben auszumalen. Die erfolgreiche Durchführung wird immer wichtiger und das hat immer mehr mit IT und Technologieverständnis zu tun.
com! professional: Bei Ihnen hört man eine große Begeisterung heraus, was die Digitalisierung der Wirtschaft angeht. Aber übertreiben Sie da nicht auch? Es gibt doch genügend Beispiele, bei denen klassische Unternehmen und Retailer im Konkurrenzkampf mit dem Internet sehr gut dastehen.
Schieck: Ich gebe Ihnen recht, auch ich kenne solche Beispiele. Es kommt aber darauf an, auch die allgemeine Tendenz zu verstehen. Und die besagt, dass der Vormarsch des Internets und der Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten ist.
Wir müssen den Kunden ja gerade klarmachen, dass es sich lohnt, die eigenen Geschäftsprozesse innovativ zu verändern. Zum Beispiel dadurch, dass man die eigenen Läden zu neuen Begegnungsstätten umbaut, mit Cafés, Vorträgen, neuen Ausprobiermethoden und so weiter. Oder in anderer Weise die alte und die neue Welt gekonnt miteinander zu verbinden.
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