Digitale Kompetenzen für die Mitarbeiter

Mindset und Skills

von - 05.02.2021
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Beratungshaus Kienbaum mit dem „Digital Readiness Check“. Die Unternehmensberatung hat dieses Tool gemeinsam mit dem hauseigenen Kienbaum Institut an der International School of Management in Dortmund entwickelt, um den digitalen Reifegrad der Mitarbeiter zu ermitteln und Entwicklungspotenziale aufzuzeigen.
Kienbaum unterscheidet dabei zwischen Mindsets als Grundinventar an Einstellungen und Eigenschaften, die ein Mitarbeiter braucht, um mit den Veränderungen der digitalen Welt umzugehen, und Skills, also Wissen und trainierbaren Verhaltensweisen. Zu Letzteren gehören etwa die Kenntnis von Programmiersprachen oder Kompetenzen zu neuen Technologien wie KI oder Blockchain. Bei Mindsets und Skills differenziert Kienbaum noch weiter auf Business- und People-Ebene „Die Mitarbeiter müssen bereit und interessiert sein, neue Kompetenzen zu erwerben sowie eine positive Einstellung gegenüber neuen Technologien zeigen. Ich denke, 60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter müssen umlernen oder dazulernen. Es geht um Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen auf verschiedenen Kompetenzebenen, Fachwissen sowie Verständnis für digitale Technologien“, erklärt Lukas Fastenroth, wissenschaft­licher Mitarbeiter und Consultant beim Kienbaum Institut.
Basis für die Analyse des digitalen Reifegrads der Mitarbeiter und der Organisation sind circa 80 Bewertungsfragen; der Fragebogen für Führungskräfte ist mit 100 Fragen umfangreicher. Die Teilnehmer erhalten per Login ein persönliches Feedback mit Anregungen, Insights und Entwicklungsempfehlungen. Die Gruppenergebnisse dienen als Entscheidungsgrundlage, um im Unternehmen gezielte Maßnahmen zur Weiterbildung anzustoßen.
„Die Skills lassen sich einfacher lernen oder erweitern. Das Mindset als Grundinventar an Einstellungen ist schwieriger zu verändern. Als Folge sollte sich die Struktur der Organisation ändern, da es wenig bringt, wenn Mitarbeiter mit neu angelernten Verhaltensweisen in eine alte, vielleicht hierarchisch geprägte Struktur zurückkehren“, so Fastenroth. „Muss ich also erst die Organisation verändern und dann das Mindset, oder umgekehrt? Auf jeden Fall müssen Firmen im Hinblick auf die Weiterbildung die Organisationsstrukturen berücksichtigen und beim Change-Management mit Ängsten umgehen.“
Lukas Fastenroth
Lukas Fastenroth
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Consultant beim Kienbaum Institut
https://institut.kienbaum.com
Foto: Kienbaum Institut
„60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter müssen umlernen oder dazulernen. Es geht um Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen auf verschiedenen Kompetenzebenen sowie Verständnis für digitale Technologien.“

Mitarbeiterängste

Auch die erwähnte Studie von BearingPoint zeigt: Mitarbeiter sehen den digitalen Wandel als Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz. So haben 60 Prozent der Befragten Angst, dass durch die Digitalisierung mehr Arbeitsplätze verschwinden werden als neue entstehen. Sie befürchten, dass ihre Arbeit durch die Einführung eines Tools oder einer neuen Maschine so kompliziert wird, dass sie sie nicht mehr meistern können, oder schlimmer noch, dass sie gar durch die Maschine ersetzt werden.
Dazu Sven Gerhardus: „Die beste Technik nützt nichts, wenn die eigenen Mitarbeiter sie fürchten. Hier sind die Unternehmen gefordert, ihnen diese Ängste zu nehmen. Das ist ein Thema der Kommunikation und Transparenz. Firmen müssen die Mitarbeiter mit auf die Reise nehmen, ihnen die Strategie und mögliche Änderungen erklären. Wenn sie Mitarbeiter zielgerichtet nach Bedarf weiterbilden, schließen sie die Lücken. Weiterentwicklung ist immer einfacher als neue Mitarbeiter zu akquirieren.“
Auch Lukas Fastenroth vom Kienbaum Institut rät Firmen deswegen zu einem Fokus auf Weiterbildung oder Up-Skilling. Denn die Digitalisierung verändert die Verteilung von Jobprofilen in Organisationen drastisch und macht Up-Skilling zum Imperativ einer wettbewerbsfähigen Organisation. Fastenroth unterscheidet zwischen drei Gruppen von Mitarbeitern: den Low Skilled Workers ohne formale Ausbildung, den Medium Skilled Workers mit einer Fachausbildung und den High Skilled Workers mit akademischem Abschluss. „Im mittleren Bereich sehen wir eine zunehmende Entwicklung hin zur Automatisierung durch Software-Roboter, etwa in der Buchhaltung oder im HR-Bereich. Daher muss sich diese Mitarbeitergruppe in den nächsten Jahren unbedingt besser aufstellen und weiterbilden, um ihre Jobs zu behalten. Wir rechnen damit, dass die Belegschaft wegen der Digitalisierung in vielen Branchen künftig kleiner wird, aber teurer, weil viele neue Stellenprofile im Bereich der High Skilled Workers angesiedelt sein werden“, so Lukas Fastenroth weiter.

Weiterbildungsstrategie

Unabhängig davon, wie sich die Situation entwickelt: Firmen benötigen klare Strategien und Konzepte für die Weiterbildung. „Kleine und mittlere Unternehmen haben zwei grundsätzliche Hemmnisse bei der Weiterbildung. Dank voller Auftragsbücher blieb vor Corona kaum Zeit zu Weiterbildungsmaßnahmen. Zudem haben sie oft große Schwierigkeiten, den genauen Bedarf zu bestimmen. Was brauchen wir genau? Die Einführung von Big Data beispielsweise in konkrete Kompetenzen für einzelne Mitarbeitende zu übersetzen, fällt vielen Unternehmen schwer“, sagt Regina Flake vom KOFA-Projekt. Sie empfiehlt daher als ersten Schritt eine Bestandsanalyse mit Ermittlung des Status quo der Kompetenzen der Mitarbeiter und parallel dazu die Entwicklung einer Weiterbildungsstrategie, die sich an der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens orientieren sollte. Es geht unter anderen um folgende Fragen: Wo wollen wir als Unternehmen hin? Welche Anforderungen stellen sich dadurch an die Mitarbeiter? Welche digitalen Kompetenzen benötigen sie? In welchen Bereichen brauchen wir künftig welche Mitarbeiter mit welcher Qualifikation? Wie können wir unsere Mitarbeiter gezielt auf diese Anforderungen hin entwickeln? „Das ist auch eine Frage der Unternehmenskultur. Die Führungsetage muss ein klares Signal setzen und zeigen, dass Weiterbildung im Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Weiterbildung ist kein Selbstzweck. Alle profitieren davon. Die Firma erhält motivierte Mitarbeiter und kann sie so an sich binden“, erklärt Regina Flake. Sie rät hier zur engen Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitern und dazu, die Mitarbeiter zu ermutigen, selbst initiativ zu sein und Vorschläge für Weiterbildungsmaßnahmen einzubringen.
Weiterbildung im Jahr 2025
Die Bitkom Akademie und die Unternehmensberatung HRpepper haben in ihrer Studie „Weiterbildung 2025“ folgende zehn Thesen zur Zukunft der Weiterbildung formuliert:
1. Im Jahr 2025 hat sich der War for Talents weiter verschärft: Arbeitgeber mit dem attraktivsten Weiterbildungsangebot gewinnen die besten Mitarbeiter für sich. Da viele Fachkräfte fehlen, investieren Organisationen massiv in Weiterbildung.
2. Das Angebot an Präsenzformaten reduziert sich: Firmen müssen Kosten sparen und Lernende sind nur noch in seltenen Fällen bereit, zu Präsenzformaten anzureisen.
3. Soft Skills werden wichtiger als Hard Skills: Zu den wichtigsten Soft Skills zählen Veränderungsfähigkeit, vernetztes Arbeiten und digitales Führen von selbst gesteuerten Teams.
4. Mitarbeiter organisieren ihre Weiterbildung eigenverantwortlich: Zentrale Bildungsinstanzen in Organisationen stehen ihnen als Sparringspartner und Ratgeber zur Seite.
5. Online- und Offline-Formate ergänzen sich automatisch: Lernende bewegen sich selbstverständlich in der Augmented und Virtual Reality mit digitalen Tutoren und Avataren. Künstliche Intelligenz zeigt ihnen individuelle Lernpfade auf.
6. Weiterbildung gehört zu einem modernen Lebensstil dazu: Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Weiterbildung verschwimmen.
7. Lernende fordern in Weiterbildungen sofortige Lösungen für ihre persönlichen Herausforderungen: Weiterbildungsformate und -inhalte sind daher flexibel auf individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen (zum Beispiel Alter oder Hierarchie) anpassbar.
8. Weiterbildungsanbieter liefern standardmäßig Daten zur Effektivität ihrer Angebote und bilden den Lernfortschritt direkt ab: Die Wirksamkeit der Angebote dient als hauptsächliches Entscheidungskriterium für Unternehmen und bestimmt die Reputation der Anbieter.
9. Weiterbildungsanbieter agieren zunehmend als Berater, Begleiter und Gestalter von Lernformaten: Bei Standardthemen wird der Markt von einigen wenigen Anbietern dominiert, während Trendthemen von vielen unterschiedlichen Anbietern vermarktet werden.
10. Lernende haben eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne: Lernformate und -inhalte sind kürzer und zielfokussierter.
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