Digital Labs als Motor der Digitalisierung
Der Weg zum eigenen Lab
von Thomas Hafen - 11.12.2018
Wie können Unternehmen erfolgreich Labs aufbauen und betreiben? Auf diese Frage gebe es keine allgemeingültige Antwort, sagt etventure-Chef Depiereux: „Jedes Unternehmen ist anders und verfolgt unterschiedliche Ziele bei der digitalen Transformation und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.“ Die wichtigste Voraussetzung sei, dass diese Einheit unabhängig von den Strukturen und Bewahrungskräften der Kernorganisation fernab von Unternehmensbürokratie, Compliance-Bedenken, juristischen Fragen und anderen Hindernissen starten und arbeiten könne: „Nur so ist es möglich, innerhalb kurzer Zeit mit neuen Methoden konkrete Digitalideen zu entwickeln und sichtbare Ergebnisse zu erzielen.“ Dafür genügten oft schon ein oder zwei Personen, die sich zu 100 Prozent der Digitalisierung widmen. „Sind die ersten Schritte getan, kann dann auch das Digital Lab Stück für Stück wachsen.“ Dominik Neumann von CGI empfiehlt, bei aller Agilität genau zu definieren, wie im Lab gearbeitet werden soll: „Erfolgreiche Implementierungen von Digital Labs unterliegen einer strikten Organisation - wann, wer, welchen Aufgaben nachgeht, ist genau getaktet.“ Abläufe würden so klar strukturiert und für jeden transparent nachvollziehbar. „Das gibt Halt und Mitarbeiter können sich auf das Wesentliche konzentrieren.“
Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor eines Digital Labs liegt auch darin, das passende Modell für die eigenen Anforderungen zu finden. „Viele Unternehmen orientieren sich zu sehr an aktuellen Hypes und überlegen nicht gründlich genug, welcher Typ der richtige für sie ist“, so Crisp-CEO Velten. „Wer beispielsweise nur interne Prozesse optimieren möchte, braucht kein Ökosystem aufzubauen.“ Nachdem man das geeignete Modell identifiziert hat, sollte man es auch konsequent verfolgen, rät der Analyst: „Man kann nicht ein bisschen Innovation Lab, ein bisschen Incubator und ein bisschen Company Builder sein.“ Allerdings kristallisiere sich manchmal auch erst auf dem Weg die richtige Wahl heraus. „Manche sind als Innovation Lab gescheitert, haben dann aber drei oder vier Start-ups aufgebaut und sind so zum erfolgreichen Company Builder geworden.“
Besonders beim Aufbau von Ökosystemen im Incubator- oder Company-Builder-Modell rät Velten zur Vorsicht: „Wer Ökosysteme nur auf Start-ups aufbaut, macht einen großen Fehler“, warnt er. „Nach wenigen Jahren, wenn ein Großteil der Start-ups wieder vom Markt verschwunden ist, wird ein solches Ökosystem sehr klein.“ Es gebe zudem deutlich mehr Mittelständler, die nach diesen Firmen suchen, als wirklich gute Start-ups. „Die Wahrnehmung, dass Tausende von Startups um wenige Finanziers buhlen, ist falsch“, sagt Velten, „in Wirklichkeit ist es umgekehrt.“
Unternehmen müssten sich außerdem Gedanken über das Lifecycle Management solcher Einrichtungen machen, betont Crisp-CEO Velten. „Was passiert nach einigen Jahren, wenn sich die Labs etabliert haben?“, fragt er. „Entwickeln sie sich weiter oder bleiben sie für immer nur eine digitale Spielwiese?“ Im Idealfall könnten aus den Labs eigene Digitaleinheiten entstehen, die die von ihnen erdachten Produkte auch entwickeln und betreiben, so der Analyst weiter. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, sie zum internen Dienstleister weiterzuentwickeln, der auf Basis seiner aus den Lab-Projekten gewonnenen Erfahrungen Analyse-, Data-Mining- und Business-Intelligence-Services für das Unternehmen bereitstellt. Notfalls könne ein Lab dauerhaft als Marketing-Hilfe für die Personalabteilung eingesetzt werden: „Es stellt das Unternehmen als innovativ und agil dar, macht gute Stimmung und erhöht so die Attraktivität für digitale Talente.“ Die langfristige Perspektive ist aber nicht nur für die Überlebenschance des Labs an sich von Relevanz, sondern auch für seine Fähigkeit, das richtige Personal anzuziehen und zu halten. „Spätestens nach drei Jahren fangen die Leute sonst an, sich zu langweilen“, resümiert Velten.