Deutsche Start-ups als Treiber von Innovationen

Im Gespräch mit Jenny Boldt vom Bitkom

von - 03.01.2020
Jenny Boldt
Jenny Boldt: Leiterin Star-ups beim Bitkom
(Quelle: Bitkom )
Wie steht es um die deutsche Gründerszene? Und was sind die Stärken und Schwächen hiesiger Jungunternehmer?
com! professional spricht darüber mit Jenny Boldt, Leiterin Start-ups beim Digitalverband Bitkom. Die ehemalige Gründerin fördert im Verband den Austausch von eta­blierten Unternehmen und Start-ups, behält die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt im Auge und setzt sich für die politischen Inte­ressen von Start-ups ein.
com! professional: Frau Boldt, wie ist der aktuelle Stand in Deutschland in Sachen Start-ups? Und was hat sich in den letzten Jahren getan?
Jenny Boldt: Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren auf einen guten Weg zu einer Start-up-Nation gemacht. Wir haben eine große Zahl wirklich toller, innovativer Start-ups und eine ganze Reihe ist inzwischen auch international erfolgreich.
Allerdings stellen wir in den letzten Monaten fest, dass die Gründerinnen und Gründer skeptischer werden. Aktuell sagen nur noch 39 Prozent, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Lage für ihr eigenes Start-up verbessert hat. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 44 Prozent, vor zwei Jahren sogar bei
54 Prozent. Diese negative Entwicklung in der Einschätzung der eigenen Lage ist ein Warnzeichen.
com! professional: Was brauchen Gründer in Deutschland Ihrer Ansicht nach denn am meisten - mehr Geld, mehr PR?
Boldt: Was viele Start-ups vor allem gerne hätten: mehr Kunden. Leider sind etablierte Unternehmen, aber auch die öffent­liche Hand häufig sehr zurückhaltend damit, Aufträge an Start-ups zu vergeben. Da wird zu oft aus Angst vor einem Risiko auf eine technologisch weniger innovative Lösung zurückgegriffen - worunter letztendlich auch der Start-up-Standort Deutschland leidet.
Und auch an Geld fehlt es, in der Regel dann, wenn es ums starke Wachstum und internationale Expansion geht. Die Gefahr ist, dass Start-ups ausgebremst werden, Marktchancen verlieren und eventuell sogar ihr Geschäft verkaufen, statt selbst groß zu werden.
com! professional: Vielen Start-ups fehlt es aber schlicht auch an Talenten, um weiter zu wachsen, oder?
Boldt: Es ist richtig, viele Start-ups erleben bereits einen gravierenden Fachkräftemangel, das wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. Schon heute geben sechs von zehn Start-ups an, dass sie bereits einmal eine Stelle nicht besetzen konnten, weil es keine geeigneten Bewerbungen gab.
com! professional: Haben die jungen Unter­nehmen Ihrer Erfahrung nach genügend Unterstützung durch die Politik?
Boldt: Auf dem Papier: ja, zum Beispiel in Programmen und Koalitionsverträgen. In der Praxis: nein, immer noch werden zu wenige Versprechungen umgesetzt.
Fragt man die Start-ups selbst, so sagen drei Viertel, die Politik wolle sich nur mit der Start-up-Szene schmücken, habe aber gar kein Inte­resse an den Problemen der Gründerinnen und Gründer.
com! professional: Sie sind ja beruflich sehr dicht an jungen Gründern dran. Wie erleben Sie die deutsche Start-up-Szene, wo sind deren Stärken und Schwächen?
Boldt: Wir haben in Deutschland inzwischen wirklich viele und sehr gute Förderprogramme für die Startphase von Start-ups - aber immer noch zu wenig Kapital in der Wachstumsphase. Wir haben auch nicht zuletzt dank der de:hub-Initiative, einem Netzwerk aus zwölf Kompetenzstandorten in Deutschland, eine immer bessere Vernetzung zwischen Start-ups und der traditionell starken Industrie. Allerdings geben zwei Drittel der Manager in etablierten Unternehmen an, dass sie nicht mit Start-ups zusammenarbeiten - hier brauchen wir noch viel mehr Offenheit für Kooperationen.
com! professional: Dennoch wird zum Glück hierzulande weiter viel gegründet. Was sind momentan die größten Boom-Branchen?
Boldt: Echte Erfolgsgeschichten sehen wir gerade im Bereich Fintechs und Insurtechs, aber auch im Bereich Mobility. Hier gibt es erfolgreiche Start-ups im B2C- ebenso wie im B2B-Umfeld. Ebenfalls stark wächst weiterhin der Health-Bereich, obwohl er in Deutschland besonders reguliert ist. Und E-Commerce bleibt stark.
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