Deutsche Start-up-Szene entwickelt sich prächtig

Nimbus Silicon Valley

von - 17.04.2019
Finanzierung von Gründern
Ohne Ersparnisse geht nichts: Fast 90 Prozent der Start-up-Gründer setzen auf Eigenfinanzierung, 64 Prozent auf einen Kredit.
(Quelle: PricewaterhouseCoopers "Start-up-Unternehmen in Deutschland" (September 2018) )
Auch wenn die deutsche Start-up-Szene auf Wachstumskurs ist und sich immer mehr etabliert - vielen fällt beim Thema Start-ups noch immer meist das Silicon Valley ein, wo Technologiegrößen wie Apple, Facebook und Google ihren Unternehmenssitz haben. Technik-Freunde und Gründer bekommen beim Begriff Silicon Valley nach wie vor große Augen.
Doch ist der Nimbus überhaupt noch gerechtfertigt und woran liegt es, dass das Silicon Valley von hier aus als ein ganz anderer Kosmos wahrgenommen wird und sich die deutsche Start-up-Szene stets im Schatten des Silicon Valley befindet?
„Der Mythos Silicon Valley ist darum so stark, weil er auch synonym mit einer eigenen Kultur genannt wird, die sicherlich auch zum Vorbild für andere Ökosysteme aus aller Welt geworden ist“, erklärt Nils Seger. Er ist Leiter der Hub Agency der Digital-Hub-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit der Initiative werden digitale Ideen in Deutschland gefördert. In zwölf Digital Hubs in der gesamten Bundes­republik entwickeln Unternehmer, Gründer und Forscher digitale Lösungen für Dienstleistungen, den Handel und die Produktion.
„Hohe Investments, die jeden Tag abgewickelt werden, absurde Unternehmensbewertungen und erfolgreiche Börsengänge lassen die Welt im Silicon Valley schillernd aussehen. Die Dimensionen sind anders“, weiß Svetlana Drümmer von der DB Mindbox und weist auf die Schattenseiten des Silicon Valley hin: „Auch wenn hohe Investments verlockend sind, es ist auch ein Haifischbecken. Neue Start-ups kommen und gehen jeden Tag.“
Ähnlich sieht es Matthias Lais vom Main Incubator. Das Silicon Valley verfüge über eine hohe Menge an Kapital und ziehe gleichzeitig viele innovative Köpfe an, die nicht selten mit einer gesunden und positiven Verrücktheit ausgestattet seien, es sei „die perfekte Mischung für eine erfolgreiche Start-up-Szene.“ Laut Lais ist es wahrscheinlich vor allem die Verlässlichkeit, mit der aus dem Silicon Valley seit vielen Jahren und kontinuierlich großartige Start-ups hervorkommen, die den Nimbus stärkt und am Leben hält.
Für Axel Menneking vom Hubraum der Deutschen Telekom ist und bleibt das Silicon Valley ein einzigartiges Ökosystem. „Es profitiert von einem besonderen ‚Think Big, High Risk, High Chance‘-Mindset, von der hohen Dichte an internationalen Tech-Talenten, von den vielen durchlaufenen Gründerzyklen und verfügt über fast unbeschränktes Kapital.“
Alex Menneking
Axel Menneking
Managing Director von Deutsche Telekom Hubraum
www.hubraum.com
Foto: Deutsche Telekom Hubraum
„Die erste Halbzeit ist verloren, die B2C-Player aus USA und China sind zu dominant.“
Auch wenn sich der US-amerikanische Markt nicht direkt mit dem deutschen Markt vergleichen lässt - einen Blick über den großen Teich werfen und voneinander lernen und profitieren, das können beide Seiten. Was das Silicon Valley und die amerikanische Mentalität prägt, ist gewiss die erwähnte positive Verrücktheit vieler Gründer. „Das Motto ‚einfach machen‘ wird in den USA sicherlich etwas stärker gelebt als in Deutschland“, so Matthias Lais vom Main Incubator. Damit geht seiner Einschätzung nach auch eine positive Fehlerkultur im Sinne von „fail fast“ einher: „Wenn ein Projekt sich als nicht erfolgversprechend abzeichnet, dann sollte es lieber schnell verworfen und die nötigen Lektionen daraus gezogen werden, statt unnötig Ressourcen darauf zu verschwenden.“
Axel Menneking vom Hubraum ist der gleichen Ansicht: Deutsche Gründer könnten von der Flexibilität der Amerikaner lernen. Wenn das Business-Model nicht funktioniere, dann sollte man als Gründer flexibel da­rauf reagieren und die eigene Idee anpassen. Viele bekannte Unicorns seien mit einer anderen Idee gestartet als dem Geschäftsmodell, mit dem sie heute erfolgreich seien. „Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass auch gescheiterte Projekte einen näher an das Ziel bringen. Wir sollten lernen, die gewonnenen Erfahrungen als etwas Wertvolles zu sehen.“

Deutsche Tugenden

Aber auch die Gründer in Übersee können - trotz ihrer unbestreitbaren Erfolge - durchaus noch etwas von den deutschen Jungunternehmern lernen. „Ich schätze die Struktur und Zielstrebigkeit bei deutschen Gründern“, verrät Axel Menneking vom Hubraum der Deutschen Telekom. Zudem beeindrucke ihn zum Beispiel das technische Know-how und Branchenwissen bei Ingenieuren, die bereits nach einigen Jahren Berufserfahrung ein eigenes Unternehmen aufbauten.
Svetlana Drümmer von der DB Mindbox merkt an, dass Teams aus Deutschland häufig „mehr Substanz“ haben. So seien US-amerikanische Start-ups teilweise stark Sales-getrieben, würden sich schnell vermarkten und erst dann Gedanken darüber machen, wie sie ihre Lösung konkret umsetzen. „Gerade im B2B-Bereich kann das jedoch zu Frust führen und die gemeinsame Beziehung belasten“, fügt sie hinzu.
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