Corporate-Start-ups ­fördern Innovationen

Von Betriebsprozessen fernhalten

von - 15.01.2018
Jedes Projekt braucht einen Rahmen, nach dem die Durchführung kontrolliert und die Ergebnisse gemessen werden können. Für Corporate-Start-ups kann zu viel Kontrolle jedoch zum Verhängnis werden. „Die Bestandsorganisation arbeitet mit einem anderen Betriebssystem als das Start-up, wobei die Betriebssysteme nur sehr bedingt miteinander ‚kompatibel‘ sind“, erklärt Sebastian Fittko. Anders gesagt: Ein Start-up wird von den in Konzernen üblichen Prozessen, Entscheidungswegen und Abstimmungszeiten eher erdrückt.
Sebastian Fittko
Sebastian Fittko
Start-up-Mentor bei Axel Springer Plug & Play Accelerator und Berlin Innovation Hub Lead bei RWE Innogy
www.axelspringer­
plugandplay.com
„Die Grundlage für ein Corporate-Start-up ist, dass die oberste Führungsebene erkannt hat, dass neue digitale Geschäftsmodelle ein anderes Organisationsmodell (…) benötigen.“
Lukas Strniste fordert daher Änderungen in der Organisation, damit interne bürokratische Prozesse das Corporate-Start-up nicht blockieren. Seiner Meinung nach kann das dadurch erreicht werden, „dass der Manager, der für ein solches Projekt verantwortlich ist, alles, was aus der bürokratischen Sicht dieses Projekt gefährden könnte, davon fernhält“. Matthias Patz bestätigt: „Ich habe bei mir ein ,Venturing-Team‘ im Bereich, das (…) die Corporate-Start-up-Teams ein bisschen von der Organisation abschirmt.“ Dieses Team unterstütze interne Start-ups bei Themen wie Controlling und HR.
Die Frage, ob ein Corporate-Start-up ausgegliedert werden soll, um einen gewissen Freiraum zu schaffen, bewerten die Experten unterschiedlich. Sebastian Fittko von Innogy hält die Ausgliederung für überlebenswichtig und das je früher, desto besser. Auch aus der Sicht von Lukas Strniste ist das sinnvoll, um Start-up-Teams von den Regularien des Unternehmens zu trennen. Matthias Patz von DB Systel dagegen glaubt, dass es noch keine Blaupause für eine pauschale Empfehlung gibt: „Für uns ist das Ausgründen nicht relevant, weil wir für uns selbst neue Produkte und neue Services generieren wollen.“ Wenn ganz neue Geschäftsfelder erkundet werden sollen, dann könne es aber ganz anders aussehen, so Patz weiter. Deshalb müsse das Ziel eines Corporate-Start-ups von Anfang an genau definiert werden.

Lösungen suchen

Ob es um die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen oder um die Erkundung neuer Geschäftsfelder geht – eines darf nicht aus dem Auge verloren werden: Corporate-Start-ups sollen eine Lösung für ein echtes, konkret definiertes Problem suchen. „Das Thema Disruption kommt sehr häufig im Zusammenhang mit dem Thema Corporate-Start-up auf“, so Lukas Strniste. „Man möchte direkt etwas wirklich Großes und Disruptives bauen. Willkürliche Ideen werden in die Runde geworfen und vorangetrieben, nicht selten von den Vorstandschefs oder dem Senior Management selbst.“
Dabei sei die Gefahr sehr hoch, warnt Strniste, dass solche Ideen mit einer Problemlösung nichts zu tun haben und deshalb nicht markttauglich sind. Es fehle schlicht und ergreifend die Verbindung zwischen dem Thema Corporate-Start-up und der Strategie hinsichtlich des eigenen Unternehmens. „Damit ein Corporate-Start-up in der Zukunft für den Mutterkonzern eine Relevanz hat, muss es zum Kerngeschäft strategisch passen“, so der Geschäftsführer von EnterpriseUP weiter. „Auch klassische Start-ups müssen sicherstellen, dass ihr Produkt für die potenzielle Zielgruppe eine echte Pro­blemlösung darstellt, sodass dieses Produkt seinen Käufer findet.“ Das gelte gleichermaßen für Corporate-Start-ups. Matthias Patz hält diesen Ansatz ebenfalls für richtig: „Unsere Teams sollen nicht einfach herumspielen, sondern tatsächlich für ein Geschäftsfeld in der Deutschen Bahn ein bestimmtes Problem lösen.“ Johannes Nünning plädiert deshalb dafür, vom ersten Moment an Nutzer-Feedback in die Produktentwicklung einfließen zu lassen und nachweislich echte Kundenbedürfnisse zu adressieren: „Das verhindert Zeit- und Geldverschwendung – der beste Schutz ist Relevanz.“
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