Die Chancen der Agilität werden zaghaft genutzt
Probleme durch Nebeneinander
von Frank Schabel - 13.07.2018
Die Einführung agiler Organisationsmethoden hat ihre Tücken. Denn auch wenn das Modell mit seinen kreativen Netzwerken verheißungsvoll klingt, bleiben für viele Prozesse Einheit, Ordnung und klar definierte Aufgabenteilung noch immer unabdingbar. Beide Formen haben deshalb ihre Daseinsberechtigung. So entsteht ein Nebeneinander zweier Arbeitsweisen und Kulturen: Hier das etablierte hierarchische System für das Tagesgeschäft, dort ein zweites System mit einer agilen, netzwerkartigen Struktur, das geeignet ist, um konstant nach neuen Lösungen und Ideen zu suchen.
Wo aber die Linienorganisation und agile Organisationsformen gleichermaßen implementiert sind, kommt es an der Schnittstelle immer wieder zu Problemen bei der Abgrenzung. Hier ist es besonders wichtig, dass Verantwortlichkeiten wie die Vorgesetztenfunktion geklärt und vorhandene Prozesse und die dazugehörenden Strukturen neu ausgebildet werden. Auch muss das in vielen Abteilungen noch immer ausgeprägte Silodenken aufgebrochen werden.
Das Nebeneinander von Arbeitsgruppen hat zudem nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Führung der Mitarbeiter und die Unternehmenskultur. Im Zentrum der Anforderungen an die Führungskultur in agilen Organisationen stehen die Förderung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter sowie deren aktive Beteiligung an den Entscheidungsprozessen. Zugleich sollen sich die Führungskräfte von Kontrolleuren hin zu Unterstützern ihrer Mitarbeiter wandeln.
All diese Anforderungen verlangen in Zukunft eine weitaus intensivere Form der Kommunikation der Führungskräfte mit Mitarbeitern als heute. Das bedeutet aber auch, dass bei der Auswahl neuer Führungskräfte deren kommunikativen Fähigkeiten größeres Gewicht zukommen sollte als dem Fachwissen. Doch noch immer fußen Führungskarrieren nach übereinstimmender Meinung der Befragten in überwiegendem Maße auf überzeugenden fachlichen Kompetenzen.
Mehr Mut zur Lücke
Alles in allem zeigt der HR-Report 2018 auf, dass die Diskussion über flexiblere Strukturen zwar gerade angesichts der digitalen Transformation breit und intensiv geführt wird, dass jedoch noch nicht viel davon im Alltag der Unternehmen angekommen ist. Zu hoch ist das Beharrungsvermögen unserer vertrauten Organisationswelten. Firmen, die agiler werden wollen, müssen also eine Abkehr von den starren Prozessen und Abläufen vollziehen: weniger Prozesshandbuch, mehr Mut zur Lücke. Liebgewonnene Muster und alte Zöpfe, die früher Sicherheit geboten haben, greifen in der neuen digitalen Welt nicht mehr. Im Gegenteil, sie verlangsamen Organisationen, statt sie zu beschleunigen.