Business Intelligence im Mittelstand angekommen

„BI wandert immer mehr in die Fachabteilungen“

von - 28.09.2015
Carsten Bange, Gründer und Geschäfts­führer des Beratungsunternehmens Business Application Research Center (BARC), über die wichtigsten Merkmale mittelstandsfähiger BI-Lösungen und die Frage, warum kleine und mittelständischen Unternehmen Big Data brauchen, aber nicht wollen.
com! professional: Herr Bange, Sie befragen in Ihrem BI Survey seit zehn Jahren jährlich 2500 bis 3000 Anwender nach ihren Plänen im Bereich Business Intelligence. Welche Trends stellen Sie aktuell fest?
Carsten Bange, Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Business Application Research Center (BARC)
Carsten Bange, Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Business Application Research Center (BARC)
Carsten Bange: Einer der großen Trends im Markt ist, dass BI anwenderfreundlicher geworden ist. Die Fachbereiche können die Analysewerkzeuge ohne oder nur mit geringer Unterstützung der IT-Abteilung nutzen – Stichwort Self-Service BI. Davon profitieren natürlich gerade Anwender in mittelständischen Unternehmen, die häufig ohnehin keine große IT-Abteilung mit BI-Spezialisten zur Verfügung haben.
Wir konnten noch einen zweiten Trend beobachten: Technologie-Innovationen lassen sich grundsätzlich einfacher nutzen. Das sieht man gut am Beispiel In-Memory-Computing. Die lange Abfragedauer ist in unserer Umfrage seit Jahren auf Platz eins oder zwei der größten Probleme, die BI-Lösungen verursachen. Das nervt die Anwender gewaltig. Mit hauptspeicherbasierten Datenbanken kann ich die Abfragezeiten erheblich verkürzen.
com! professional: Wer sind die Hauptanwender von Business-Intelligence-Lösungen in den Unternehmen?
Bange: BI wird überwiegend in den Vertriebs- und Finanzabteilungen eingesetzt, diffundiert aber immer mehr in weitere Abteilungen wie die Produktion oder die Logistik. Dort wird heute stärker auf die Steuerung der Prozesse Wert gelegt. Wir sprechen von der Operationalisierung von BI. Statt klassisch historische Werte zu analysieren und zu fragen „Was ist im Zeitraum xy geschehen?“ geht BI näher an operative Prozesse heran und fragt: „Was passiert gerade jetzt?“.
com! professional: Was unterscheidet beim Einsatz von BI kleine und mittelständische Kunden von Großunternehmen?
Bange: Kleine und mittelständische Unternehmen gehen häufig pragmatischer vor. Sie suchen nicht die perfekte Lösung, sondern einfach eine, die funktioniert. Davon abgesehen sind die Aufgabenstellungen identisch. Wir haben immer das Thema Dateninte­gration, ich sehe auch im mittelständischen Bereich die Herausforderung, Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen. Das sind natürlich absolut gesehen deutlich weniger, aber die Grundaufgabenstellung bleibt die gleiche. Im Konzernbereich muss ich vielleicht große Cluster mit parallelisierten Datenbanken bauen, während im Mittelstand die Standarddatenbank reicht, die ich für mein ERP-System ohnehin schon betreibe. In Konzernen kommen natürlich auch viel mehr BI-Werkzeuge zum Einsatz. Bei kleineren Unternehmen genügen meist zwei oder drei, für den Rest tut es auch Excel.
com! professional: Obwohl Business Intelligence anwenderfreundlicher geworden ist, scheitern kleine und mittelständische Unternehmen häufig bei der Einführung. Woran liegt das?
Bange: Das größte Problem sehe ich darin, dass die Ergebnisse der BI-Analyse gar nicht oder nicht richtig genutzt werden. Viele Unternehmen führen Reporting- und Analysewerkzeuge ein, und dann wendet sie keiner sinnvoll an, oder die Entscheidungskultur basiert viel mehr auf Erfahrungswissen und Bauchgefühl statt auf der Basis von Zahlen. Manchmal haben die Unternehmen auch einfach nicht genug Leute, um die Systeme betreiben zu können. Diese technischen und fachlichen Herausforderungen sind keine reinen Mittelstandsthemen, aber dort findet man solche Situation häufiger als im Enterprise-Bereich.
com! professional: Was sind die größten Vorteile von BI für SMBs?
Bange: Die Transparenz von Geschäftsprozessen und die Steuerungsmöglichkeiten, die BI schafft, sind natürlich auch für Mittelständler relevant. Viele Entscheider im Mittelstand glauben zwar, den fehlenden Einblick durch Erfahrung kompensieren zu können aber auch im SMB-Bereich steigt der Wettbewerbsdruck. Themen wie Industrie 4.0 betreffen gerade viele mittelständische Unternehmen aus der Fertigung. Dort können die Vorteile von BI sehr schnell konkret sichtbar werden. Wenn ich in der Lieferkette effizienter werden, Lagerbestände reduzieren und schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren kann, dann sind das gerade die Vorteile, die ein kleineres Unternehmens gegenüber einem großen Konzern mit langen Entscheidungswegen ausspielen kann. Wir machen Projekte mit mittelständischen Unternehmen, die bis in den Bereich Predictive Analytics reichen, wo wir auf Basis von datengestützten Vorhersagen die Auftragsplanung in der Fertigung und Logistik optimieren.
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