Blockchain-Versprechen: Decentralized Finance

Fintech-Kooperationen

von - 12.10.2020
Monatlicher Web-Traffic über fürhende DeFi-Protokolle
Compound, Aave, Balancer, Curve …: Der monatliche Web-Traffic über die führenden DeFi-Protokolle deutet steigendes Interesse an dieser Technologie an.
(Quelle: Datenquelle: SimilarWeb/TheBlock, Datenvisualisierung Autoren / Datawrapper)
Eine weitere Studie von PwC unter der Leitung von Sven Meyer, Head of Digital Ecosystem FS bei PwC Deutschland, vom Februar 2020 untersucht das Blockchain-Engagement des deutschen Finanzsektors im Hinblick auf strategische Partnerschaften und kommt zu etwas anderen Erkenntnissen. 
Im Rahmen des „2. PwC FinTech-Kooperationsradars“ haben die Analysten 2102 Kooperationen im Detail untersucht, darunter auch solche mit Blockchain-Bezug. Ihr Fazit: Die deutschen Banken geben sich mit ihren bisherigen Investitionen in technologiebasierte Finanz-Start-ups nicht zufrieden, sondern intensivieren sie eher. Und die Komplexität des Fintech-Kooperationsnetzwerks nehme„unaufhaltsam und mit großer Geschwindigkeit“ zu.
In Zahlen heißt das: Operative Kooperationen (ohne eine Beteiligung der Bafin-regulierten Finanz- oder Versicherungsdienstleister am Technologie-Start-up) dominieren demnach die Branche mit einem Anteil von 63 Prozent an allen Partnerschaften. Finanzielle Kooperationen (mit Direktbeteiligung) machen 31 Prozent aller Partnerschaften aus; die übrigen 6 Prozent entfallen auf „Sonstige Kooperationen“, das heißt auf die Zusammenarbeit mit Forschungsorganisationen, Start-up-Hubs, Acceleratoren und Venture-Capital-Gesellschaften mit dem Ziel des Transfers von Technologie oder Know-how. 
Die Studie berücksichtigt nicht nur Kooperationen mit Blockchain-Bezug, sondern beliebige Technologie-Innovationen in Fintechs und Insurtechs. Dennoch macht sie deutlich, dass sich das vermeintliche Fehlen eines Budgetrahmens für Blockchain-Initiativen im deutschen Finanzsektor möglicherweise darauf zurückführen lässt, dass die Unternehmen diese Aktivitäten im Sinn eines vorbildlichen Risikomanagements aus dem operativen Geschäft externalisieren. 
Das bedeutet: Blockchain-Start­ups, Spin-offs und andere Kooperationspartner schöpfen unter Umständen beachtliche Finanzmittel aus Bilanzposten außerhalb des laufenden Betriebshaushalts führender Finanzinstitute. 
So verdankt etwa der preisgekrönte KMU-Kreditgeber Iwoca Deutschland seine Entstehung unter anderem der Unterstützung durch CommerzVentures, der Wagniskapitalsparte der Commerzbank. Und die Münchner Allianz-Gruppe hat ihrerseits beachtliche Investitionen in DeFi über den eigenen Wagniskapitalableger Allianz X getätigt. Direkte Finanzspritzen haben unter anderem auch die Entstehung von Europas erster „mobiler“ Direktbank N26.com ermöglicht, die zwischendurch unter anderem mit Bitcoin Cash experimentiert hat.
Auch deutsche Fintechs haben so während der Corona-Krise eine bemerkenswerte Rolle gespielt. Beispielsweise konnte Iwoca mit seiner im März 2020 vorgestellten Open-Lending-Plattform (www.openlending.com) inmitten der Lockdown-Panik dank unbürokratischer Kreditvergabe zahlreichen Kleinunternehmen in Deutschland und Großbritannien mit rund 100 Millionen Euro an zusätzlicher Liquidität schnell unter die Arme greifen.

Daten- und ereignisgetrieben

Einer der Schlüssel für ein dezentralisiertes Finanzwesen ist die Fähigkeit von Blockchain-Plattformen, relevante Ereignisse automatisch zu erfassen und einzelne Handlungen oder Vorgänge ereignisgetrieben auszuführen, geht aus dem erwähnten Bitkom-Whitepaper hervor. Mit Hilfe von Smart Contracts, zum Beispiel auf Ethereum, ist das bereits heute möglich. „Bei mehr als 90 Prozent der Firmen in Deutschland handelt es sich um Kleinunternehmen“, erklärt Christoph Rieche, CEO und Mitgründer von Iwoca. „Viele von ihnen leiden unter schlechtem Zugang zu Finanzmitteln“, führt er weiter aus, denn traditionelle Kreditgeber seien nicht in der Lage, diese kleinen Kreditnehmer auf eine Art und Weise zu unterstützen, die den Bedürfnissen der KMUs entspreche. „Unser Ziel besteht da­rin, dies zu ändern“, bringt er die Intention seines Fintechs auf den Punkt.
Iwoca innoviert außerhalb der Blockchain-Szene und entspricht damit nicht ganz der Definition von DeFi im engeren Sinn. Doch der spektakuläre Erfolg dieses deutsch-britischen Fintechs belegt den großen Bedarf des Mittelstands an zusätzlicher Liquidität. Dezentralisiertes Finanzwesen möchte diesen durch die sogenannte Tokenisierung von Vermögenswerten decken. Unter Tokenisierung versteht die DeFi-Szene die Umwandlung von Rechten an Eigentum in eine Kryptowährung, die ihre Existenz einem „smarten Vertrag“ (Smart Contract) zu verdanken hat, einem „Token“. Token sind die Wertmarken der digitalen Revolution, das zentrale Instrument der „Blockchainerisierung“ von Vermögenswerten der realen Wirtschaft - von Immobilien, Maschinen und Patenten bis hin zu einzelnen Nutzungsrechten an Eigentum, das zuvor nicht aufteilbar war.
Durch die Verzahnung von physischer Realität und der Geschäftslogik smarter Verträge entstehen unter anderem neue Möglichkeiten zur marktübergreifenden Steuerung von Wirtschaftsaktivitäten, neue Methoden zum „Anzapfen“ der in Vermögenswerten „versenkten“ Liquidität und neue Potenziale für zusätzliche Wertschöpfung. Blockchain-Technologie schafft zusätzlichen Spielraum zum Flüssigmachen von Vermögenswerten durch die granulare Ausübung rechtlicher Konstrukte wie Sicherungsübereignung oder neue Möglichkeiten des Handels mit Effektenlombardkredit-Finanzierung. Neues Potenzial der Wertschöpfung entsteht durch die gemeinsame Nutzung von Eigentum durch mehrere Teilnehmer eines Ökosystems und eine höhere Auslastung vorhandener Kapazitäten, die erst die Sharing-Economy gewährleisten kann. 
Blockchain-Technik ermöglicht solche Nutzungsszenarien durch Verzicht auf den Faktor Mensch zugunsten des Faktors Blockchain als eines dezentralisierten, allgegenwärtigen Intermediärs. Das senkt die Verwaltungskosten und hilft, neue Anreize zu schaffen. Zugleich aber entstehen neue Risiken, die nicht von der Hand zu weisen sind.
Verwandte Themen