Blockchain-Frameworks für den Mittelstand
Frameworks als Sprungbrett
von Filipe Pereira Martins - 08.05.2019
Die zentrale Entscheidung bei der Entwicklung einer Blockchain-Anwendung stellt die Wahl des Blockchain-Frameworks dar. Dieses vor allem bestimmt die Leistungsfähigkeit und Skalierbarkeit der resultierenden Blockchain, die zulässigen Methoden der Konsensbildung (und damit unter anderem die Betriebskosten), die Schwierigkeiten der Interoperabilität, den gebotenen Grad an Sicherheit und ähnliche Merkmale - die Konsequenzen sind recht weitreichend.
Um es vorwegzunehmen: Die Blockchain, die der berühmt-berüchtigten Kryptowährung Bitcoin zugrunde liegt, ist in ihrer reinen Fassung, also ohne Einbezug externer Lösungen wie Exonum, für den geschäftlichen Einsatz denkbar ungeeignet.
Hauptsächlich liegt das in dem ineffizienten Proof-of-Work-Konsensverfahren begründet, das bei Bitcom zum Einsatz kommt. Nicht nur hat dieses einen astronomischen Energiebedarf - das weltweite Bitcoin-Mining verschlingt jährlich so viel Energie wie 63 Prozent der Wirtschaft der Tschechischen Republik - es ist auch schneckenlangsam. Nicht zuletzt führt es zu einer Zentralisierung der Macht über das Netzwerk in der Hand von wenigen Mining-Pools, behaupten Kritiker wie der Software-Entwickler und Unternehmen Daniel Larimer.
Laut dem renommierten Krypto-Unternehmen Blockchain.com schafft das Bitcoin-Verfahren im Schnitt rund vier Transaktionen pro Sekunde. Zum Vergleich: Microsofts Framework Azure/Coco (Confidential Consortium Blockchain Framework) für hochskalierbare, vertrauliche Blockchain-Netzwerke kann bis zu 1600 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten.
Ursprünglich lag dem Ethereum-Framework ein ähnliches Konsensverfahren wie dem Bitcoin-Netzwerk zugrunde. Inzwischen möchte die Ethereum-Gemeinde schrittweise auf ein alternatives Konsensverfahren nach dem Proof-of-Stake-Modell (PoS) namens Casper umstellen. PoS verspricht unter anderem eine verbesserte Skalierbarkeit, schnellere Transaktionsabwicklung, einen geringeren Energieverbrauch und Schutz vor Kartellbildung.
Bei der Suche nach dem passenden Blockchain-Framework ist auch ein Blick auf das Hyperledger-Projekt der Linux Foundation Pflicht. Unter deren Schirm werden gleich sieben Blockchain-Frameworks entwickelt. Sie befinden sich in verschiedenen Reifestufen und haben unterschiedliche Schwerpunkte, sind aber allesamt quelloffen.
In den Auswahlprozess einbezogen werden sollten unbedingt auch Blockchain-as-a-Service-Angebote (BaaS) der führenden Cloud- und Plattform-Anbieter. AWS-Nutzer können auf die Blockchain-Frameworks Hyperledger Fabric und Ethereum mittels Amazon Managed Blockchain zugreifen. Alternativ lassen sich Blockchain-Templates für die CloudFormation-Sprache der AWS-Dienste einsetzen, um skalierbare Rechenkapazitäten in der Cloud automatisch zu provisionieren. Als Erfolgsgeschichten nennt AWS den Ethereum-Spezialisten Consensys, Tradewind, eine Plattform zur Verwaltung von Eigentumsnachweisen für Edelmetalle, das Konsortium für Blockchain-Anwendungen R3 und das IT-Outsourcing-Haus Luxoft.
Microsoft bietet mit einem Azure-Service namens Microsoft Blockchain Workbench eine gemanagte Laufzeitumgebung für das hauseigene, quelloffene Confidential Consortium Blockchain Framework, vorerst allerdings nur als Preview. SAP unterstützt neben dem Blockchain-Framework Hyperledger Fabric auch MultiChain in SAP HANA via SAP Leonardo Blockchain, einen BaaS-Dienst der SAP Cloud Platform Blockchain. Die IBM Blockchain Platform schließlich fokussiert ganz auf die Bereitstellung des Hyperledger-Fabric-Frameworks.
Fazit & Ausblick
Noch ist das Blockchain-Rennen nicht gelaufen, noch können die Nachzügler ihren Rückstand aufholen. Ein Blick auf die Investitionen rund um die Blockchain zeigt: Selbst in Deutschland ist eine Trendwende bereits in Sicht. Laut einer aktuellen Umfrage von Deloitte planen 94 Prozent von 132 befragten deutschen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Dollar, im laufenden Kalenderjahr mindestens eine halbe Million Dollar in die „Blockchainisierung“ zu stecken.
„Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, kann Deutschland bei der Entwicklung von Blockchain-Lösungen ganz vorne dabei sein“, gibt sich Bitkom-Präsident Achim Berg denn auch vorsichtig optimistisch. Die Schwergewichte der Deutschland AG sind bereits dabei, ihre Geschäftsabläufe mit Macht auf die Blockchain umzustellen. Der Mittelstand sitzt bislang größtenteils noch auf der Reservebank - offenbar in der Hoffnung, in aufkommenden praxisnahen Anwendungsszenarien mit ins Spiel zu kommen.
Noch konnten sich die verschiedenen Ökosysteme Blockchain-getriebener Wertschöpfung nicht wirklich fest etablieren. Dennoch rückt dieser Tag näher. In diesem kleinen Zeitfenster eröffnet sich für KMUs eine möglicherweise einmalige Chance, die eigene Datensouveränität zu verteidigen, bevor der Kuchen ganz verteilt ist. Eine Nachspielzeit wird es wohl kaum geben.