Die Blockchain als Business-Treiber

Blockchain im Finanzsektor

von - 07.10.2016
P2P-Kreditvergabe leicht gemacht: Der Blockchain-basierte Dienst Bitbond visualisiert laufende Bitcoin-Transaktionen – im Bild leiht ein anonymer deutscher Nutzer einem Kanadier 0,50 Bitcoins (rund 270 Euro).
Das Feld, auf dem die Blockchain-Technik bisher den stärksten Eindruck hinterlässt, ist eindeutig der Finanzsektor. Hier sind die Anwendungen am weitesten und vielfältigsten entwickelt, hier geht es bereits um große Summen und nicht nur um Nischenangebote. Einige Beispiele sollen das illustrieren.
Crowdlending: Wer einen Kredit beantragen möchte, muss längst nicht mehr zur Bank gehen: P2P-Kreditvergabeunternehmen machen es möglich. Bereits heu­te liegt das weltweite P2P-Kreditvolumen bei mehr als 50 Milliarden Dollar. In Deutschland wurden schon 660 Millionen Euro per Crowdlending vergeben. Und in der Schweiz hat sich das Crowdlending-Volumen vergangenes Jahr von 3,5 auf 7,9 Millionen Franken nahezu verdoppelt, wie das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern festgestellt hat. Studienleiter Andreas Dietrich prognostiziert eine weitere Verdoppelung für das laufende Jahr. Blockchain-Technologie dürfte dieser aufkeimenden Industrie einen enormen Wachstumsschub verleihen.
IBM Global Financing Unit: Als System zur Nachverfolgung von Transaktionen hat sich die Blockchain-Technologie bei IBM bewährt. IBMs Global Financing Unit verarbeitet jedes Jahr Verbindlichkeiten des Konzerns im Wert von 2,9 Millionen Dollar und zeichnet für die Vergabe von Krediten an über 4000 Zulieferer verantwortlich. Dank der Blockchain soll es IBM gelungen sein, die Streitschlichtung von 40 Tagen auf zehn Tage zu reduzieren und rund 100 Millionen Dollar an zuvor gebundenem Kapital für andere Zwecke frei zu machen.
Allianz Risk Transfer AG: Zu den Vorreitern der Blockchain-Technologie zählt auch der Versicherungskonzern Allianz, der 2015 über 152 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete. Da die eingezahlten Prämien am Kapitalmarkt angelegt werden müssen, um im Versicherungsfall Auszahlungen zu gewährleisten, gehört die Allianz auch zur Weltspitze der Vermögensverwaltungen mit mehr als 1,24 Billionen Euro Kapital.
Die Blockchain-Technik hat der Konzern in einem Pilotprojekt seiner Tochter Allianz Risk Transfer AG mit der Investmentfirma Nephila Capital getestet. Konkrekt ging es um Smart Contracts für Katastrophen-Anleihen und Katastrophen-Swaps. Diese beiden Finanzvehikel übertragen beim Auftreten einer vorab definierten Katastrophe das Risiko auf einen Dritten. Tritt das Ereignis ein, springen die Anleihen-Gläubiger für den Versicherer ein, ansonsten verdienen sie.
Durch Wegfall der „menschlichen Intervention“ in der Ausführung derartiger Verträge verspricht sich die Allianz geringere Schnittstellenverluste und eine niedrigere Fehlerrate bei gleichzeitig steigender Geschwindigkeit und Effizienz. Die geringen Transaktionskosten sollen es erlauben, Risiken auf Investoren auszulagern und sich zudem gegen die Nichterfüllung dieser Verträge abzusichern. Bei Blockchain-gestützten Katastrophen-Anleihen könnten sogar Vermittlungs- und Überwachungsfunktionen, wie sie derzeit von Banken, Vermittlern, Rechnungsprüfern und Clearingstellen wahrgenommen werden, in Software-Code übertragen werden.
Blockchain-Konsortium: Unter dem Dach des Fintech-Start-ups R3 haben sich Finanzinstitute aus aller Welt zusammengeschlossen, um die Zusammenarbeit der Finanzbranche in puncto Blockchain zu fördern und Standards für Blockchain-basierte Lösungen zu erarbeiten. Die Banken versprechen sich davon eine schnellere und effizientere Abwicklung des Interbankenhandels bei deutlich niedrigeren Arbeitskosten, da eine zentrale Buchungsstelle überflüssig werden könnte. Mitglieder des Konsortiums sind unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank und UBS.

Buchführung für Industrie 4.0

Heutzutage werden alle Transaktionen, die in der Wirtschaft stattfinden, intern in proprietären Hauptbüchern einzelner Marktteilnehmer aufgezeichnet. Das volle Potenzial der Blockchain komme aber erst dann zum Tragen, wenn die Buchführung die Grenzen dieser Ökosysteme überschreite, schreibt IBM in einer aktuellen Studie (Fast forward: Rethinking enterprises, ecosystems and economies with blockchains, IBM Institute for Business Value, 2016).
Felix Hufeld
Präsident der BaFin
www.bafin.de
Foto: Foto: BaFin
„Wir müssen bei der Zulassung von Innovationen immer auch Aspekte wie den Verbraucherschutz und die Geldwäschevorschriften berücksichtigen.“
Das HyperLedger-Projekt der Linux Foundation, dem auch die Deutsche Börse und SWIFT angehören, soll diese integra­tive Buchführung ermöglichen. IBM erhofft sich eine Automatisierbarkeit sämtlicher Vorgänge entlang der Wertschöpfungskette mit Hilfe kognitiver IoT-Systeme. Gemeint sind etwa RFID-bestückte Bauteile, Fertigungsroboter, Messinstrumente, Windturbinen, autonome Fahrzeuge und andere fernsteuerbare Elektronik. Die sollen nach Vorstellung von IBM an sein KI-System Watson angebunden werden und so betriebsübergreifende Optimierungen der Wertschöpfungskette vornehmen können. Das hätte laut IBM etliche positive Effekte:
  • Kostensenkungen durch die gemeinsame Nutzung von Lagerkapazitäten, LKW-Flotten oder Schiffscontainern
  • bessere Bedarfsprognosen von Herstellern und Händlern
  • Einschätzung der künftigen Zahlungsfähigkeit eines Lieferanten durch Finanzinstitute aufgrund seiner Erfolgsbilanz
  • bessere Verfolgung der Herkunft von Waren durch Regulierungsbehörden dank Blockchain-gestützter Frachtbriefe
Klar ist aber auch: Zu den Nutznießern der Buchführung auf Blockchain-Basis und der damit verbundenen umfassenden Transparenz sämtlicher Vorgänge werden viel eher Großkonzerne gehören als mittelständische Zulieferer und kleinere Unternehmen. Konsumenten können deshalb auch kaum mit günstigeren Endverbraucherpreisen rechnen.
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