Ausfälle voraussagen mit KI, IoT und Sound

Altes Prinzip, neue Technik

von - 21.10.2020
NL Kamera
Probleme sichtbar machen: Die „NL-Kamera“ visualisiert Leckagen in Stromnetzen und Luft­austritte in Fabrikanlagen in Echtzeit auf einem Bildschirm.
(Quelle: Noiseless Acoustics)
Einer der größten Vorteile der schallbasierten vo­rausschauenden Wartung liegt in der Präzision und der Früherkennung von Problemen. „Die Daten sind viel dichter und enthalten mehr Informationen, was eine tiefere Analyse ermöglicht“, erläutert Kai Saksela, CEO und Mitgründer von Noiseless Acoustics. Bei vielen Messmethoden wird üblicherweise ein Schwellenwert festgelegt, der nicht unterschritten oder nicht überschritten werden darf. Eine Maschine klingt dagegen unter verschiedenen Bedingungen und verschiedenen Lastzuständen unterschiedlich. Während die Überschreitung eines Schwellenwerts auf ein mehr oder weniger unmittelbar bevorstehendes Problem hinweisen kann, kann also die Tonanalyse die eigentliche Ursache des Problems noch in ihrer Entstehungsphase aufdecken - zum Beispiel wenn bewegliche Teile anfangen, aneinander zu schleifen.
Sogar Sensoren für die Vibrationsanalyse sind unter Umständen nicht empfindlich genug, um Probleme frühzeitig zu erkennen. Ultraschallmessungen dagegen können selbst minimale Geräuschanomalien frühzeitig erfassen - früher als Veränderungen in Temperatur und Vibration oder als hörbare Änderungen.
„Ausgefeiltere akustische Überwachungstechnologien können viele Informationen über verschiedene Frequenzbereiche überwachen“, erklärt Nicole Foust von Gartner. So kann etwa die NL-Kamera von Noiseless Acoustics in einer Umgebung mit hoher Lärmbelastung, in der Gehörschutz erforderlich ist, kleinste Leckagen auffangen, die selbst in einer völlig geräuschlosen Umgebung kein Mensch hören kann. „Sound ist viel mehr als das, was das menschliche Ohr wahrnimmt“, unterstreicht Kai Saksela.
Nicole Foust
Nicole Foust
Research-Analystin bei Gartner
www.gartner.com
Foto: Gartner
„Ein Vorteil der akustischen Überwachung ist, dass sie nichtinvasiv und kontaktlos sein kann.“
Zwar ist akustische Diagnostik kein neues Konzept. Die Ultraschallmessung etwa wird schon seit über zwei Jahrzehnten zur vorausschauenden Wartung eingesetzt. Mit einem Handgerät stellen Techniker dabei selbst kleine Veränderungen der Frequenz fest. Doch die modernen akustischen Überwachungstechnologien schaffen die Voraussetzung dafür, alle relevanten Maschinen und Anlagen Tag und Nacht zu über­wachen - also auch dann, wenn die Techniker sich nicht physisch neben den Maschinen aufhalten können. 
Außerdem steigern sie den Automatisierungsgrad: „Der Einsatz von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz ermöglicht es, zu ‚lernen‘, wie ein bevorstehender Defekt aussieht oder in diesem Fall klingt“, erläutert Nicole Foust. „Wenn ein bestimmtes Geräusch erkannt wird, wird [automatisch] ein Prozess ausgelöst, der eine detailliertere Überwachung, eine Inspektion oder das Auslösen eines Arbeitsauftrags umfassen kann.“

Fazit & Ausblick

KI-Algorithmen, maschinelles Lernen und Technologien zur Aufnahme selbst kleinster Geräusche über viele Frequenzbereiche hinweg ermöglichen heute, bevorstehende Maschinenprobleme durch bloßes Hören präziser als je zuvor, rund um die Uhr und selbst in rauen Indus­trieumgebungen zu diagnostizieren. „Sound ist eine der einfachsten und universellsten Methoden zur Erkennung eines mechanischen Defekts“, unterstreicht Martin Kuban.
Zwar ist der Markt für die schallbasierte vorausschauende Instandhaltung noch jung, dennoch spricht die wachsende Anzahl der Lösungen und der Unternehmen, die diese Technologie bereits erfolgreich implementiert haben, deutlich für ihr Potenzial. „Immer mehr Unternehmen achten bei der Auswertung von Datenquellen und Technologien darauf, dass diese auch für die akustische Überwachung eingesetzt werden können, um die vorausschauende Instandhaltung womöglich noch effektiver zu gestalten“, berichtet Nicole Foust. Auch das Prozessverständnis und die technischen Umsetzungen werden nach Beobachtung der Gartner-Expertin zunehmend ausgereifter. Das steigende Interesse ist nicht überraschend, denn in anlagen­intensiven Branchen wird das Anlagenmanagement zu einer Kernkompetenz des Geschäftsbetriebs. Methoden, die eine präzise und frühestmögliche Vorhersage ungeplanter Ausfälle und Stillstände ermöglichen, ziehen deshalb besondere Aufmerksamkeit auf sich.
Von der Sound-basierten Predictive Maintenance profitieren übrigens nicht nur große Fabriken. Selbst im Konsumbereich gibt es erste Initiativen. Bei einem innSono-Kunden etwa, einem globalen Hersteller von Haushaltsgeräten, befindet sich die Technologie gerade in der Implementierungsphase. Anhand des aufgezeichneten Tons soll die Zustandsüberwachung eines Kühlschranks anzeigen, ob eine Störung vorliegt und ob alle im Kühlschrank eingebauten Komponenten ordnungsgemäß funktionieren. Noch wird die Technologie nur am Produktionsstandort zur Überwachung der Geräte eingesetzt, bevor diese an die Kunden ausgeliefert werden. Ziel ist es jedoch, die Technik auch den Endkunden zu Hause zur vorausschauenden Wartung der Geräte zur Verfügung zu stellen.
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