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Aus für den Browser? Totgesagte leben länger!

von - 05.02.2016
Aus für den Browser? Totgesagte leben länger!
Foto: Mathias Vietmeier / Valentin Agapov / Shutterstock.com
Das Ende des Browsers ist nah – prognostizieren die Apostel des Fortschritts. Dabei nutzen ihn immer noch die meisten, die im Internet surfen.
Der Aufstieg des Internets ist eng verknüpft mit einem Stück Software, das es plötzlich einfach machte, von Site zu Site zu hüpfen: dem Browser. Nach Anfängen im Bereich der Wissenschaften gab es zu Beginn der 90er-Jahre erste kommerzielle Browser wie Mosaic. Marktbeherrschend wurde sehr schnell der Netscape Navigator des jungen Entwicklers Marc Andreessen. Der Erfolg von Netscape ließ Microsoft keine Ruhe. In einem regelrechten Browser-Krieg zwang man Netscape nieder. Der Internet Explorer wurde zur kostenlosen Dreingabe von Windows oder als freier Download verschenkt. Ergebnis: 90 Prozent Marktanteil.
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor mit Wohnsitz in Italien
Aber auch diese Dominanz war nicht von Dauer. Mit Mozilla Firefox entstand aus den Ruinen von Mosaic und Navigator wieder ein unabhängiger Browser, der wegen seines alternativen Touchs, vieler Zusatzmodule und höherer Sicherheit viele Anhänger gewann. Dessen Erfolg scheint seinen Scheitelpunkt jedoch ebenfalls erreicht zu haben, bedrängt von neuen Konkurrenten wie Google Chrome.

Apps statt Browser

Eigentlich ist ein Browser ja nur ein Tool, um sich ins Internet einzuwählen und Webseiten anzusteuern oder zu finden. Aber: Wer als Browser-Lieferant diese Schaltstelle besetzt hält, kann mitlesen und abspeichern, welche Seiten die Computernutzer anklicken, welche Hyperlinks sie nutzen und vieles mehr. Diese Tracking-Protokolle dienen zum Aufbau von Datensammlungen und Benutzerprofilen, die sich kommer ziell verwenden, vermieten oder verkaufen lassen.
Auch Apple mit Safari und Google mit Chrome sind diesen Weg der Ausbeutung der Nutzerdaten gegangen. Sie profitieren dabei sehr von der Bequemlichkeit der Nutzer. Einen standardmäßig mitgelieferten und kostenlosen Browser wechseln in der Regel eben nur wenige Power-User.
Dennoch stellen derzeit Beobachter die Zukunft der Browser infrage. Browser seien mit überholter Software gestrickt und machten den Computer extrem langsam, weil zu viele Fenster geöffnet seien. An den Browser-Herstellern sind solche Vorwürfe nicht spurlos vorübergegangen. In Windows 10 unterstützt Microsoft nur noch den neu entwickelten Browser Edge sowie den IE 11, aber nicht mehr die noch millionenfach eingesetzten früheren IE-Versionen. Und Chrome und Firefox haben praktisch auf permanente Updates umgestellt – erkennbar an den Versionsnummern, die mittlerweile bei 48 (Chrome) und 44 (Firefox) angelangt sind.
Der wahre Todfeind des Browsers aber, so ist zu hören, sind die Apps auf den mobilen Geräten. Mit einer App landet man schnell bei einer bestimmten, vom Rest des Internets abgeschotteten Webseite oder Anwendung, zum Beispiel bei einer Fluggesellschaft oder einem Kartendienst. Im Gegensatz dazu erfordert ein Browser Eigeninitiative vom Nutzer. Er eröffnet ihm dafür aber auch den Zugang zu einer fast unendlichen Vielfalt an globalen Webseiten.
App oder Browser – am Ende des Tages kommt es auf das an, was die Nutzer wollen – nur separierte Apps oder die ganze Weite des World Wide Web. Den Tod des Browsers auszurufen, könnte sich als ebenso verfrüht erweisen wie der immer wieder beschworene und nie eingetretene Tod der E-Mail.

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