Globaler „Internet-Computer“ auf Blockchain
Neue Generation von Software
von Anna KobylinskaFilipe Pereira Martins - 09.06.2020
Revolutionäre: Das Team von Dfinity könnte mit seiner Technik die IT-Kosten von Anwenderunternehmen stark senken.
(Quelle: Dfinity)
Für sein Konzept benötigt Dfinity eine Vielzahl an unabhängigen, weltweit verteilten Rechenzentren, die als Nodes dienen. Diese stellen dem System ihre Kapazitäten zur Verfügung. Als Belohnung will Dfinity eigene Tokens, sogenannte dfinities, herausgeben, was zu den technischen Hürden der jungen Technologie wohl zusätzlich einige juristische Hürden mit sich bringen dürfte. Denn die Börsenaufsichten weltweit werden beim Thema Token aufmerksam.
Der Bezug zu den Tokens kommt nicht von ungefähr. Denn unter der Haube des Internet-Computers arbeitet die Dfinity-Blockchain. Diese führt Buch über die Ressourcen in den verteilten Data-Centern, die Laufzeitanforderungen der Applikationen und andere Aspekte der Plattform. Für die Bestätigung einer Transaktion nach einem Konsensalgorithmus benötigt das bekannte Bitcoin bis zu einer Stunde und die modernere Ethereum-Technik rund sechs Minuten. Bei Dfinity will man mit dem eigenen Konsensalgorithmus nur noch fünf Sekunden benötigen. Das wäre etwa 72-mal schneller als bei Ethereum.
„Ich nenne es die Konsensus-Ebene des Dfinity-Stacks“, erklärt Mahnush Movahhedi, Senior Research Engineer bei Dfinity. Auf diesem Level setzen die Anwendungen auf. Auf dem Technologieunterbau von Dfinity sollen Anbieter genauso wie Anwenderunternehmen ihre Websites, Geschäftsanwendungen, Internetdienste oder andere IT-Systeme auf Enterprise-Niveau direkt aufsetzen können - wie auf einem virtuellen verteilten, selbstheilenden Supercomputer.
Begeisterung und Skepsis
Nicht alle teilen die optimistische Sicht auf die Dinge. Zum einen ist da die Herausforderung, den Konsensalgorithmus derart drastisch zu beschleunigen, wie es für den reibungslosen Betrieb des Internet-Computers erforderlich wäre. Wenn die Ingenieure die angestrebten Geschwindigkeitswerte beim Konsensalgorithmus tatsächlich erreichen würden, wäre Dfinity in der Tat extrem schnell, bescheinigte Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth sowie Mitgründer und Co-Leiter des Fraunhofer Blockchain-Labors gegenüber dem Wirtschaftsmedium „Forbes“. Aber noch sei der Internet-Computer mehr ein Versprechen als eine fertige Lösung.
Und nicht nur das: Joseph Lubin, Mitgründer des heute im schweizerischen Zug beheimateten Blockchain-Spezialisten Ethereum und Gründer des Software-Anbieters ConsenSys in New York, stellt manche Ideen von Dfinity infrage. Sollte ein Drittel der Knoten des Dfinity-Netzwerks zeitweise für die übrigen Knoten nicht mehr erreichbar sein, könnte das gesamte Dfinity-Netzwerk zum Stillstand kommen, argumentierte Lubin im Mai vergangenen Jahres. Dies schließe den Internet-Computer für „viele unterschiedliche Klassen von Anwendungen“ aus. Lubin räumt allerdings schmunzelnd ein, er könne aufgrund seiner Ethereum-Befangenheit nicht die nötige Objektivität aufbringen. Dfinity als einen würdigen Ersatz von Amazon Web Services könne er sich dennoch sehr gut vorstellen. „Die Ingenieure von Dfinity werden es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit durchaus sehr gut hinkriegen“, so Lubin.