Die Blockchain schafft digital Vertrauen

Risiken in der Blockchain

von - 12.10.2018
com! professional: Welche Risiken birgt die Blockchain eigentlich? Sie gilt als vertrauenswürdig und unveränderlich, aber letztendlich werden Manipulation nur erschwert …
Euler: Natürlich gibt es Risiken. Generell dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass es sich um sehr junge Technologie handelt. Bitcoin, die erste Blockchain, ist noch keine zehn Jahre alt. Insofern ist heutige Blockchain-Technologie sicher nicht ausgereift. Über spezifische Risiken generisch zu sprechen ist schwierig. Denn Blockchain ist nicht gleich Blockchain. Der Teufel steckt im Detail. Zentral für die Sicherheit und Zuverlässigkeit einer Blockchain ist etwa ihr Konsensalgorithmus. Es gibt diverse Verfahren in verschiedenen Ausprägungen – alle haben unterschiedliche Stärken und Schwächen.
com! professional: Mit dem Bitcoin hat man ja schon einige Erfahrungen in Sachen Sicherheit.
Euler: Dort gab es kleinere Zwischenfälle und größere Schwachstellen, die entdeckt, jedoch nicht ausgenutzt wurden. In Summe hat sich das System bis dato gut geschlagen, auch weil die Infrastruktur es Angreifern schwer macht.
com! professional: Können Sie das genauer erklären?
Euler: Die sicherheitskritische Variable im Bitcoin-Netzwerk ist Hash-Power. Das ist, vereinfacht, die Rechenleistung, die im Bitcoin-Netzwerk zur Verfügung steht und die es absichert. Wollen Sie Bitcoin attackieren und zum Beispiel Bitcoin ausgeben, die Sie eigentlich gar nicht haben, müssen Sie 51 Prozent der gesamten Hash-Power kontrollieren. Nach heutigem Stand würde dies einen immensen Mitteleinsatz erfordern und ist daher nicht sonderlich wahrscheinlich. Wenn ein gut kapitalisierter Akteur viel daran setzen würde, wäre es gegebenenfalls möglich. Hinzu kommt: Bitcoin ist eine öffentliche Blockchain, und damit ist ziemlich klar, dass Sie eine Attacke kaum unbemerkt durchführen könnten. Zumindest nicht im großen Stil.
com! professional: Viele Unternehmen planen den Einsatz der Blockchain oder starten Projekte, von denen man dann oft nichts mehr hört. Gibt es überhaupt schon konkrete Alltagsanwendungen oder sind das nach wie vor nur einzelne Tests?
Euler: Das ist natürlich Definitionssache. Walmart ist gerade dabei, immer mehr seiner Food Supply Chains auf die Blockchain zu bringen. Die Deutsche Bahn hat spannende Systeme im B2B-Abrechnungsbereich im Einsatz. In Australien können Sie die App Liven nutzen, um mit Kryptowährungen in Tausenden Restaurants und Bars zu zahlen. Das World Food Programme der UN nutzt Blockchain für eine Payment-App für mehr als 100.000 Flüchtlinge in einem Flüchtlingscamp.
Sprich: Ja, es gibt erste Systeme, die bereits in Live-Umgebungen laufen. Aber ob diese „zum Alltag“ in den Unternehmen gehören, darf bezweifelt werden. Es sind erste Gehversuche. Bis Blockchain zum Alltag beim Gros der Unternehmen gehört, werden noch Jahre ins Land ziehen.
com! professional: Welchen Rat geben Sie Unternehmen, die sich der Blockchain nähern wollen?
Euler: Am wichtigsten ist für meine Begriffe, anfangs sowohl ein präzises technologisches Verständnis zu entwickeln als auch die Business-Seite genau zu analysieren. Denn die wirklich disruptive Musik steckt in Distributed Network Economies. Haben Sie das verstanden, fangen Sie an, auf konkrete Probleme und Herausforderungen zu gucken. Denn Distributed Consensus Technology ist letztendlich nichts anderes als ein Werkzeug, ein Werkzeug, das erlaubt, sehr ungewöhnliche Konstrukte zu bauen. Und ein Werkzeug, das bislang als gesichert geglaubte Erkenntnisse infrage stellt – doch trotzdem ein Werkzeug. Will sagen: Distributed Consensus Technology ist kein Selbstzweck. Entweder können Sie etwas sinnvolles Neues damit tun oder Sie können etwas Altes signifikant effizienter umsetzen. Wenn Sie glauben, eine entsprechende Chance entdeckt zu haben, fangen Sie an, zu experimentieren. Ein entsprechendes Projekt können Sie dann mehr oder minder identisch zu einem guten Software-Projekt aufsetzen. Agiles Team, schnelle Iteration an kleinen Piloten mit begrenztem Scope und Risiko. Und sobald Sie hinreichend Daten aus der Praxis generiert haben, können Sie entscheiden, ob Sie skalieren wollen oder nicht.
Und vielleicht noch ein genereller Tipp: Das Feld ist extrem dynamisch. Um da mitzuhalten und nicht heute etwas zu lernen, was schon gestern überholt war, brauchen Sie kompetenten Support, der in der Welt zu Hause ist. Prüfen Sie bei der Auswahl allerdings genau, wen Sie sich ins Haus holen. Es sind genug Akteure in der Blockchain-Welt unterwegs, die nicht das Kundenwohl an die erste Stelle setzen. Um es mal vorsichtig zu formulieren.
com! professional: Sie halten jetzt im November auf der Tech Week in Frankfurt den Vortrag „Blockchain and the Future of the Firm“. Wie sieht denn das Unternehmen von morgen aus?
Euler: Ohne meinem Vortrag zu viel vorzugreifen: Digitale Netzwerke und Blockchain beziehungsweise Distributed Consensus Technology bieten die Möglichkeit, Wertschöpfung ganz anders zu denken.
Etwa in deutlich dynamischeren Strukturen, in denen Zugehörigkeit zu Organisationen deutlich fluider und anlassbezogener ist als klassische Anstellungsverhältnisse. In Netzwerken, in denen Menschen und non-humane Entitäten effizient zusammenarbeiten. In Verbünden aus kleinen Organisationen, die dank Aggregation und Netzwerkeffekten von Economies of Scale profitieren, ohne gleichermaßen von den negativen Folgen zunehmender Organisationsgröße betroffen zu sein.
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