Ein 3D-GPS für die virtuelle Welt

AR im Unternehmen

von - 01.03.2019
Hype und Euphorie erzeugen, das kann Google perfekt. Als der Internet-Riese 2012 den Prototyp einer smarten Datenbrille vorstellte, überschlug sich die Berichterstattung. Drei Jahre später beerdigte Google das ehrgeizige Projekt wieder. Was blieb, war die Vision eines Internets in der Brille, die Google mit Blick auf Enterprise-Lösungen weiterentwickelt. Diese Anpassung der Zielgruppe haben auch andere IT-Hersteller vollzogen. Sie sehen sinnvolle Szenarien für Augmented-Reality-Applikationen zunächst einmal im Industrie- und Dienstleistungssektor. AR wird allmählich nützlich, statt nur eine teure Spielerei zu sein.
Eine effiziente Logistik ist nach Einschätzung von Deutschlands größtem Systemhaus Bechtle überaus wichtig - und dort die permanente Verbesserung der Prozesse dank neuer Technologien. In einem Innovationsprojekt zusammen mit SAP hat Bechtle in seinem Zentrallager in Neckarsulm deshalb bereits 2016 die Anwendung Pick-by-Vision eingeführt: Kommissionierung mit Datenbrillen. Wo Lageristen früher mit Barcodescannern die Regale abgingen, können sie mit der Datenbrille freihändig arbeiten, während ihnen im Display die abzuholenden Waren und das Ausgabeziel angezeigt werden.
Eine weitere industrielle Anwendung ist der digitale Zwilling, den Inosoft für die Deutsche Kommission Elek­trotechnik im VDE entwickelt hat. „Wir haben einen digitalen Zwilling für die Normung entwickelt, denn gerade im Hinblick auf Industrie 4.0 ist es sinnvoll, auch Vorschriften und Normen in eine maschinell lesbare Form zu überführen, um einen Abgleich mit einem digitalen Zwilling vornehmen zu können“, erläutert Winzer. „In der Anwendung wird ein per Software erzeugter virtueller Schaltschrank über eine Datenbrille in das Blickfeld des Betrachters projiziert. Der Betrachter kann sich das Objekt von allen Seiten ansehen. Per Gestensteuerung startet er die automatische Prüfung gegen die Norm, die er live und in 3D mitverfolgen kann. Erkennt das System einen Fehler, wird das Bauteil markiert und ein Hinweis zur Fehleranalyse eingeblendet.“ Die Produktionskontrolle lässt sich so vereinfachen und die Kosten sinken.
Rüdiger Sprengard
Rüdiger Sprengard
Head of Augmented Reality bei Schott
www.schott.com
Foto: Schott
„Eine AR-Cloud könnte Device-Designs und Anwendungsfelder hervorbringen, die wir uns mit unseren heutigen Denkmustern noch gar nicht vorstellen können.“
Der auf Glas spezialisierte Mainzer Technologiekonzern Schott beschäftigt sich seit fast fünf Jahren mit dem Thema. „Früh merkten wir, dass ein Marktbedarf für ein Produkt aufkam, das noch gar nicht existierte: ein Spezialglas mit hohem Brechungsindex, das weiterverarbeitet als Wafer in AR-Brillen als Lichtleiter eingesetzt werden kann“, berichtet Rüdiger Sprengard, Head of Augmented Reality bei Schott. Er sieht großes Potenzial für AR in Unternehmen: „Die Anwendungsmöglichkeiten sind schier unbegrenzt: in der Produktion, in der Produktentwicklung, im Verkauf oder bei Monteuren im Feld, in der Aus- und Weiterbildung und vielem mehr. Natürlich braucht es eine gewisse Offenheit gegenüber Innovationen, um Anwendungsfelder zu explorieren und Schritt für Schritt ins Unternehmen einzubringen.“
Ein Aspekt, der die Akzeptanz von AR in Unternehmen womöglich etwas hemmt: In vielen Branchen, die von AR profitieren könnten, herrschen anspruchsvolle Anforderungen an die AR-Hardware, die aber immer noch anfällig und teuer ist. Daher zögern viele Firmen noch, sie in risikoreichen Umgebungen wie Baustellen oder Ölplattformen einzusetzen.
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