Kommentar

Twitter, was waren das für Wochen?

von - 23.12.2016
Facepalm im Retro-Look
Foto: Alexander_P / Shutterstock.com
Eine ruhige Vorweihnachtszeit sieht anders aus. Twitter kämpft mit schwindenden Managern, falsch ausgewiesenen Anzeigen und trifft eine richtige Entscheidung zu spät. Ein Kommentar.
Auch das noch: Twitter muss wie schon zuvor Facebook Eingeständnisse bei fehlerhaften Ad-Metriken machen. Zwar wurde der Fehler nach Unternehmensangaben bereits behoben und die falschen Einnahmen an die Werbungtreibenden zurückgezahlt. Trotzdem schockt diese Meldung am 23. Dezember 2016 kaum einen Marketing-Manager mehr.
Zu viel war passiert in den letzten Wochen. Zunächst wurde bekannt, dass Twitter seinen Standort in Berlin 2017 schließen möchte. Anschließend gab CTO Adam Messinger bekannt, dass er den Kurznachrichtendienst nach fünf Jahren verlässt.
In seinem Tweet dankte er Geschäftsführer und Gründer Jack Dorsey für die Möglichkeiten, die er erhalten hatte. Dem gehen langsam die Partner in der Geschäftsführung aus. Seit Januar haben sechs von zehn Mitgliedern der Geschäftsleitung Twitter verlassen. Darunter befand sich beispielsweise auch Kevin Weil, ehemaliger Vice President of Product, der jetzt für den Konkurrenten Instagram arbeitet.

Aus den eigenen Fehlern lernen

Wenn Jack Dorsey seinen eigenen Dienst 2017 in ruhige Gewässer leiten möchte, um wieder attraktiver für einen möglichen Verkauf zu werden, muss es ihm gelingen Kontinuität in die Management-Etage zu bringen. Nur so kann die Weiterentwicklung des Produkts garantiert, und nur so können Skandale vermieden werden und der Weg in die Profitabilität gelingen.
Wozu Unaufmerksamkeiten, Schludrigkeiten und mangelnde Transparenz führen können, bewies Yahoo. Die 4,8 Milliarden-Dollar-Übernahme des einstigen Internetpioniers durch den Telekom-Riesen Verizon steht nach mehreren Datenskandalen auf der Kippe. Yahoo sollte für Twitter-Chef Jack Dorsey ein mahnendes Zeichen dafür sein, wie es nicht geht.

Auf USPs konzentrieren und Innovations-Leader werden

Nicht nur in der Führungsebene muss Twitter zu alter Stärke zurückkehren. Auch produkttechnisch sollte sich der Kurznachrichtendienst zurückbesinnen. Der Kanal, der sich perfekt dafür eignet, aktuelle Informationen zu einem Thema zu erhalten, muss im Business die gleiche Relevanz zurückerlangen.
Dafür ist es entscheidend, dass man in San Francisco vom Me-Too-Anbieter wieder zum Innovationsunternehmen wird. Das beste Beispiel dafür ist Periscope. Mit dem Livestreaming-Dienst hatte Twitter frühzeitig eine wichtige Rolle eingenommen. Doch Dorsey und sein Team haben Facebook fast tatenlos das lukrative Feld der Echtzeit-Berichterstattung überlassen.
Anstelle Periscope frühzeitig allen Twitter-Nutzern ohne einen zusätzlichen Download der Periscope-App zur Verfügung zu stellen und restlos in den eigenen Dienst zu integrieren, setzte man darauf, dass sich die User mit einem umständlichen Prinzip und zwei Anwendungen herumschlagen. Das wurde erst Mitte Dezember 2016 geändert als der Kampf gegen Facebook Live schon fast verloren war.
Twitter muss aufhören, Facebook und andere Wettbewerber zu kopieren. Die eingeführten Algorithmen in der Timeline und der Suche funktionieren mehr oder weniger gut bei Facebook, sind für Twitter jedoch kaum sinnvoll.
"Twitter ist eine Art Live-Wikipedia und eignet sich hervorragend für Research", erklärt David Eicher im Gespräch. Mit filternden Algorithmen verliert der Kurznachrichtendienst jedoch den Status als digitales Echtzeit-Nachschlagewerk, weil sich der Nutzer nicht mehr darauf verlassen kann, dass ihm wirklich die neuesten und wichtigsten News zuerst angezeigt werden.
Wenn 2017 ein besseres Jahr für Twitter werden soll als 2016 muss sich Einiges ändern. Leicht wird dieses Unterfangen nicht - unmöglich ist es aber auch nicht.
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