Verfügung gegen DNS-Resolver

Kein Haftungsprivileg

von - 17.02.2022
Foto: Shutterstock/Alexander Supertramp
Das Landgericht Hamburg gibt dem Sony-Konzern recht und verlangt vom DNS-Resolver Quad9 eine Domain zu sperren, über die unrechtmäßig Musik verbreitet wurde.
Das Landgericht Hamburg hat zugunsten von Sony eine einstweilige Verfügung gegen den DNS-Resolver Quad9 erlassen und diesen dazu verpflichtet, eine Domain zu sperren, über die illegal Musik verbreitet wurde. Quad9 ist ein DNS-Resolver, der von einer Non-Profit-Organisation betrieben wird.
DNS-Resolver übersetzen Webadressen in IP-Adressen. Erst dadurch können etwa Browser tatsächlich auf die Inhalte auf einer Webseite zugreifen. Gibt ein Nutzer im Browser eine Internetadresse ein, beispielsweise „www.com-magazin.de“, so schickt der Browser eine Anfrage an einen DNS-Resolver, unter welcher IP-Adresse der Server von „www.com-magazin.de“ zu erreichen ist. Der angefragte DNS-Resolver schickt daraufhin zum Beispiel die IP-Adresse 192.0.2.77 an den Browser zurück. Erst mit dieser IP-Adresse kann der Browser eine Verbindung zur eigentlichen Website aufbauen und dem Anwender die Inhalte anzeigen.
Damit sind DNS-Resolver grundsätzlich ein integraler Bestandteil der Struktur des Internets. Üblicherweise setzen Internetanbieter, etwa Vodafone oder die Telekom, ihre eigenen DNS-Resolver-Dienste ein. Daneben betreiben aber auch andere Unternehmen solche Dienste, etwa Google oder eben Quad9.

Kein Provider-Privileg

Illegale Musikdownloads im Internet sind den Rechte­inhabern seit Jahren ein Dorn im Auge. Weil es schwierig ist, an die eigentlichen Täter heranzukommen, wird oft versucht, durch Sperren bei einzelnen Internetdiensten zumindest zu erreichen, dass die illegalen Downloads schnell nicht mehr erreichbar sind. Häufig werden deshalb also auch Dienstanbieter verklagt, über die die Musik erreicht werden kann.
Grundsätzlich können sich Anbieter von Kommunikationsdiensten aber auf ein Haftungsprivileg berufen. Danach sollen Dienstanbieter, die fremde Informationen weiterleiten, nicht für mögliche rechtswidrige Inhalte verantwortlich sein und damit auch nicht dafür haften. Mit ihrem Beschluss erklären die Hamburger Richter nun, dass diese Privilegierung zwar für Internetanbieter wie die Tele­kom, aber nicht für DNS-Resolver gelten soll. Begründet wird dies damit, dass der Gesetzeswortlaut derzeit verlangt, dass als privilegierte Dienstanbieter nur solche Betreiber gelten, die selbst eigene oder fremde Telemedien bereithalten oder den Zugang zu solchen Medien vermitteln. Alle drei Varianten sind nach Auffassung des Gerichts bei DNS-Resolvern nicht gegeben. Insbesondere würden DNS-Resolver auch keinen Zugang zu Medien vermitteln, da die Verbindung zu den eigentlichen Medien erst nach der Antwort des DNS-Resolvers mit der IP-Adresse hergestellt würde.

Kritische Punkte

Quad9 kritisiert, dass damit eine künstliche Differenzierung geschaffen würde, weil Internetanbieter mit ihren eigenen DNS-Resolvern weiterhin geschützt seien, während unabhängige DNS-Resolver Haftungsansprüchen der Verlage ausgesetzt würden.
Nicht unproblematisch ist auch der Umfang der Anordnung. Grundsätzlich kann ein deutsches Gericht nur Anordnungen für Deutschland treffen, sodass die Richter Quad9 auferlegt haben, die Domain für alle Anfragen aus Deutschland zu sperren. Quad9 gibt jedoch an, technisch nicht in der Lage zu sein, solche regionalen Sperren umzusetzen. Dies könnte zur Folge haben, dass Anordnungen nationaler Gerichte stets zu weltweiten Sperren führen. Würde dieses Verfahren auch in anderen Ländern genutzt, könnten schnell auch viele legale Inhalte nationalen Zensurversuchen zum Opfer fallen und daraufhin weltweit nicht mehr uneingeschränkt erreichbar sein.
Quad9 hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Es ist also noch offen, ob alle reinen DNS-Resolver in Zukunft stets dem Risiko von Klagen ausgesetzt sind oder ob die nächste Instanz diese Auffassung wieder revidiert.
Verwandte Themen