Lockdown war Wasser auf Mühlen von Online-Betrügern

Mehr Online-Handel bedeutet auch mehr Betrugsversuche

von - 13.08.2020
com! professional: Haben sich die Betrugsszenarien in den letzten Monaten verändert? Wenn ja, inwiefern?
Döhring: Betrugsmuster verändern sich ständig. Online-Betrug läuft heute in organisiertem, hoch-skalierten Rahmen ab. Das erhöht natürlich auch die Anforderungen an unseren Job. Sobald wir einen bestimmten Angriffsvektor erfolgreich gestoppt haben, müssen wir davon ausgehen, dass der "Profi-Betrüger" schon auf der Suche nach dem nächsten Schlupfloch ist. Das macht den Einsatz von konstant lernenden Algorithmen auch so wichtig und unerlässlich für eine erfolgreiche Betrugsbekämpfung. Mit Machine Learning können wir nach neuen betrügerischen Aktivitäten suchen und aus diesen Rückschlüsse ziehen, um den elektronischen Zahlungsverkehr für jeden Einzelnen noch sicherer zu machen. Für uns ist es essenziell, dass sich unsere Kunden, egal ob Händler oder Verbraucher, darauf verlassen können, dass ihre Zahlungen sicher sind.
Diese Verlässlichkeit hat durch die Corona-Pandemie nochmal an Relevanz gewonnen. Die Situation hat auch die Welt des Online-Betrugs verändert. Klassischerweise führen größere ökonomische Krisen zu einem Anstieg von Betrugsfällen, im konkreten Fall haben der weltweite Lockdown und die Social-Distancing-Massnahmen verstärkt dazu geführt, dass viele Menschen auf den Online-Handel zurückgegriffen haben. Das zeigen auch unsere Zahlen: Allein im April dieses Jahres konnte PayPal weltweit 7,4 Millionen Neukunden gewinnen, das entspricht rund 250.000 pro Tag. Am 1. Mai verzeichneten wir den Tag mit den meisten Transaktionen in der Geschichte des Unternehmens. Das freut uns natürlich sehr, aber mehr Online-Handel bedeutet natürlich auch mehr Betrugsversuche. Mittlerweile ist sogar der Handel mit Anleitungen zum Online-Betrug ein Geschäftsmodell. Dieser Handel beispielsweise hat im Dark Web in den vergangenen Monaten um fast 50 Prozent zugelegt. Glücklicherweise sind uns die meisten dieser betrügerischen Aktivitäten und Muster seit langem bekannt und können effektiv von unseren Machine-Learning-Modellen und Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung gestoppt werden.
com! professional: Gehen Händler in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich mit Betrug um?
Döhring: Das lässt sich nicht so eindeutig beantworten. Es gibt gewisse regionale Eigenheiten, beispielsweise verzeichnen wir in wirtschaftlich schwächere Regionen oft auch höhere Raten an versuchtem Betrug. Vielmehr sehen wir allerdings, dass Händler in verschiedenen Branchen unterschiedlich mit Betrug umgehen. Das hängt stark mit der Risikoaffinität, den Gewinnmargen und auch dem Zielland zusammen. Die Bekämpfung von Online-Betrug ist immer ein Abwägen zwischen erkannten und gestoppten Betrugsfällen und einem möglichen höheren Umsatz.
Ein Beispiel: Die Gewinnmarge bei Elektronikartikeln ist in der Regel relativ hoch. Das führt dazu, dass Händler in diesem Bereich oft eine höhere Risikotoleranz haben. Um so wichtiger ist es, dass unsere Systeme weiter lernen und verbessert werden. Dadurch können wir, auch mithilfe Künstlicher Intelligenz, das individuelle Verhalten von Kunden immer besser voraussagen und sicherstellen, dass wir für unsere Händler der richtige Partner sind - auch bei Risikomanagement und Betrugsprävention.
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