Recht auf Reparatur

Vorschlag der EU-Kommission bleibt hinter den Erwartungen

von - 20.04.2023

shutterstock.com/D-Krab

Die EU-Kommission hat Ende März einen neuen Vorschlag für das Recht auf Reparatur vorgelegt und setzt damit ein positives Signal für die Entwicklung in Richtung Kreislaufwirtschaft. Unser Gastkommentator Kilian Kaminski ist dennoch skeptisch, ob der Vorstoß ausreicht.
von Kilian Kaminski, Co-Founder des Online-Marktplatzes für wiederaufbereitete Produkte refurbed
Produktion, Verbrauch und Abfallverarbeitung sind nicht nachhaltig - jedenfalls nicht in der aktuellen linearen Form. Vielmehr braucht es ein zirkuläres Wirtschaftsmodell. Ein Großteil der natürlichen Ressourcen auf der Welt sind endlich. Durch die Ausbeutung kommt unser Planet an seine Grenzen und unsere Lebensgrundlagen werden zerstört. Eine seit langem notwendige Lösung für dieses Problem stellt die Kreislaufwirtschaft dar: Ressourcen werden wieder in den Kreislauf zurückgeführt und so deren Lebensdauer verlängert. Mit einem Recht auf Reparatur, wie es die EU-Kommission jetzt vorschlägt, kommen wir einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft einen Schritt näher. 
Kilian Kaminski, Co-Founder von refurbed
(Quelle: refurbed )
Aber reicht dieser Schritt aus? Die kurze Antwort: Nein, das tut er nicht. 
Die Reparatur und Wiederverwendung von Geräten sollte nicht nur eine Option, sondern die neue Norm auf europäischer Ebene sein. Der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission stellt dafür die Weichen, baut aber nicht genügend Druck auf.

Recht auf Reparatur: Vorschlag der Europäischen Kommission weitergedacht

Ein genauer Blick auf den Vorschlag der Europäischen Kommission genügt, um zu sehen, dass das Recht auf Reparatur noch einige ungenutzte Potenziale hinter sich lässt. Obwohl viele richtige und wichtige Aspekte berücksichtigt werden, bleiben andere außen vor. Das ist fatal, weil wir keine Zeit mehr für kleine Schritte haben, es braucht große Sprünge, in Richtung einer nachhaltigen Zukunft. Um diesen großen Sprüngen gerecht zu werden, muss das Recht auf Reparatur mit entsprechenden Maßnahmen vervollständigt und konkretisiert werden:
 
EU-Repair-Score: Verbraucher:innen sind oftmals überfordert - sie wollen eine bewusste Kaufentscheidung treffen, verfügen aber nicht über die richtigen Informationen. Ein EU-Repair-Score würde potenzielle Käufer:innen darüber informieren, ob ein Produkt repariert werden kann, mit welchen Kosten das verbunden ist und wie einfach das funktioniert. Frankreich bietet das beispielsweise für einige Produkte bereits an.

Reparatur als neue Norm: Der Reparatursektor war noch nie eine Priorität und das muss sich ändern. Dafür braucht es finanzielle Anreize, die die Reparatur logisch erscheinen lässt. Eine erweiterte Herstellerverantwortung kann das leisten.

● "Reparatur vor Ersatz": Dieser Grundsatz muss gesetzlich verankert werden. Dieser Aspekt ist im aktuellen Vorschlag unzureichend thematisiert. Das Problem: Solange Hersteller beschädigte Produkte ersetzen dürfen und dies billiger als eine Reparatur ist, bleiben Produkte nicht reparierbar. Ist eine Reparatur nicht möglich, so sollte ein wiederaufbereiteter Artikel angeboten werden müssen.

Verbot von Praktiken, die die Reparatur behindern und einschränken: Dazu sollte etwa ein Verbot von "Part Pairing" gehören, damit es unabhängigen Marktteilnehmer:innen erlaubt wird, das Produkt mit Original-, Gebraucht- und kompatiblen Ersatzteilen zu warten. Auch die kostenlose Bereitstellung der erforderlichen Reparatur- und Wartungsinformationen ist elementar - einschließlich Diagnosewerkzeugen, Software und Updatesfür alle Akteur:innen im Reparatursektor. Zudem sollte ein guter Zugang zu Ersatzteilen innerhalb eines angemessenen Zeitraums gewährleistet werden, der mindestens der erwarteten Lebensdauer des Produkts entspricht. Der aktuelle Vorschlag verpflichtet Hersteller nicht ausreichend.

Vorbild öffentlicher Sektor: Der öffentliche Sektor muss seiner Rolle nachkommen, indem er durch Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen Anforderungen und Ziele für die Verwendung reparierbarer und aufgearbeiteter Produkte festlegt. 

Und was bedeutet das für Onlineshops? 

Generell trifft das Recht auf Reparatur in erster Linie die Hersteller. Diese müssen innerhalb der Garantiefrist eine Reparatur vornehmen. Onlineshops sind meist entweder Importeure oder Händler, die nur unter bestimmten Bedingungen selbst für eine Reparatur sorgen müssen.
Onlineshops, die das direkt betrifft, werden gemeinsam mit den Herstellern ein Modell finden müssen, wie sie eine Reparatur ermöglichen können. Nachdem sowohl den Shops als auch den Herstellern etwas daran liegen dürfte, weiterhin in der EU verkaufen zu können, werden sie nach einer entsprechenden Lösung suchen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise eine Kooperation mit einem Reparaturgeschäft in Europa einzugehen. 
Das könnte zwar kurzfristig einen Mehraufwand für die Onlineshops bedeuten, der steht aber in keinem Vergleich zu dem ökologischen, sozialen und auch ökonomischen Mehrwert, den ein Recht auf Reparatur bringen kann - und das muss das gemeinsame Ziel sein. 

Verantwortung übernehmen: Privat, politisch, wirtschaftlich 

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zeigt gute Absichten und den Willen, das Recht auf Reparatur voranzutreiben. Das ist zwar ein gutes Zeichen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der EU, aber das reicht noch lange nicht aus. Er lässt einige Potenziale ungenutzt, so etwa Aspekte, die eine erweiterte Herstellerverantwortung betreffen oder ein Verbot von Praktiken, die eine unabhängige Reparatur behindern, wie beispielsweise das Part Pairing. 
Es braucht langfristige, drastische Maßnahmen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Hier spielt die Wirtschaft eine riesige Rolle - "Business as usual" darf es nicht mehr geben. Denn Kreislaufwirtschaft kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen - sowohl auf privater als auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene.
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