Schutz vor Raubkopien

BGH sieht Netzsperren nur als allerletztes Mittel

von - 30.06.2022
Netzsperre
Foto: Shutterstock / Serg036
In einer mündlichen Verhandlung hat der Bundesgerichtshof seine Position zur Sperrung von Websites mit illegalen Inhalten deutlich gemacht. Das Ergebnis zeigt: Als kurzfristige Lösung für Probleme mit unsauber arbeitenden Konkurrenten taugen Netzsperren eher nicht.
Im Rechtsstreit zwischen zwei Verlagen und der deutschen Telekom hat der Bundesgerichthof (BGH) seine Position zu Netzsperren deutlich gemacht. Darunter versteht man eine rechtliche Anordnung an alle deutschen Internet-Zugangsprovider (ISP), den Zugang zu einer bestimmten Website zu sperren. Dieses Mittel ist in der deutschen Internet-Wirtschaft hoch umstritten.

Provider scheuen den Aufwand

Vor allem die ISPs scheuen den administrativen Aufwand, wenn der Staat ihnen immer wieder Listen mit URLs übermittelt, die sie blockieren müssen. Netzaktivisten treibt zudem die Sorge um, dass man über das Instrument der Netzsperre nicht nur illegale, sondern auch politisch unerwünschte Inhalte sperren lassen könnte.
Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, die ihre Rechte durch Internet-Seiten verletzt sehen - und der Staat, der Jugendschutz- und andere Gesetze durchsetzen will. Für beträchtlichen Wirbel hatte beispielsweise die verordnete Netzsperre gegen den Pornoseitenanbieter Xhamster gesorgt. Ihm wurde unter anderem eine ungenügende Altersverifikation vorgeworfen. Den Bann über seine deutsche Domain konterte der Porno-Provider, indem er kurzfristig seine URL modifzierte und so die Sperrverfügung aushebelte.

Verlage gegen die Telekom

Im aktuellen Fall hatten zwei Fachbuchverlage eine Netzsperre gegen die Online-Plattformen SciHub und Lib-Gen gefordert, auf denen mutmaßlich urheberrechtlich geschützte Inhalte rechtswidrig zum Download angeboten werden. Die Deutsche Telekom hatte dies verweigert und war daraufhin verklagt worden. Ein endgültiges Urteil soll im Oktober verkündet werden; die mündliche Verhandlung machte jedoch die Haltung des Gerichts deutlich (Az. I ZR 111/21).
So sieht der BGH Netzsperren nur als "allerletztes Mittel", wenn der Geschädigte zuvor alle Möglichkeiten ausgereizt hat, die Rechtsverletzung auf andere Weise abzustellen. Dabei setzen die Gerichte sehr hohe Hürden. So hätte einer der klagenden Verlage erst einen in Schweden ansässigen Hoster im Rahmen der EU-Amtshilfe in Anspruch nehmen können, bevor er einen deutschen ISP dazu auffordert, den Zugang zu Seiten auf dessen Servern zu unterbinden. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass - siehe Xhamster - die Sperrung einzelner URLs leicht zu umgehen sei.
Auf der anderen Seite zeigt der Fall aber auch, wie schwer es oft sein kann, illegale Websites vom Netz zu nehmen. Eine Schadensersatzforderung in Höhe von 15 Millionen US-Dollar gegen SciHub konnte nicht vollstreckt werden, weil der Besitzer der Plattform zwar öffentlich auftritt, seine Identität bislang aber nicht festgestellt werden konnte. Vermutlich lebt er in Kasachstan - außerhalb der Reichweite des EU-Rechtes. Bei LibGen ist die Lage noch vertrackter, die Betreiber der Seite sind schlicht nicht bekannt.

Kein Mittel gegen Fake-Shops

Wie der BGH letztlich entscheiden wird, ist noch offen, doch der Tenor der öffentlichen Verhandlung zeigt, dass sich die erzwungene Sperrung von Internet-Adressen kaum dazu eignet, kurzfristig gegen Website-Betreiber vorzugehen, die beispielsweise Fake-Shops betreiben.
Hier sollten Onlinehändler anders vorgehen. Bei Shops, die unter einer .de-Adresse auftreten, ist die Denic, die Registry der Top Level Domain .de, der erste Ansprechpartner. Sie verfügt über die Kontaktdaten dessen, der die Domain registriert hat. Stellen sich diese Daten als falsch heraus, wäre das ein Ansatz, beispielsweise die Dekonnektierung der Domain zu beantragen - das funktioniert besser als eine Netzsperre. 
 
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