Connected Car - Vernetzen um jeden Preis

Skeptische Verbraucher bremsen das Connected Car

von - 29.10.2015
Autoindustrie und IT-Branche haben also ein gemeinsames Ziel, wenn auch aus ­unterschiedlichen Beweggründen: Sie wollen das Auto vernetzen und zum rollenden Hotspot ausbauen. Auch die Politik zieht mit. EU-Kommissar Günther Oettinger will unbedingt verhindern, dass die digitale Revolution im Auto außerhalb Europas abläuft und drängt auf jeder Konferenz mit dem kalkuliert-plakativen Spruch "Besser Schlagloch als Funkloch!" auf den Breitbandausbau und die neue Mobilfunktechnologie 5G.
Elmar Degenhart von Continental
Elmar Degenhart, Vorstandschef des Automobilzulieferers Continental: "Wir werden das Auto künftig zum Teil des Internets machen"
(Quelle: www.continental.de )
Und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wird wohl noch in diesem Jahr den Baubeginn von Deutschlands erstem digitalisierten Autobahnabschnitt bekannt geben. Wenn so viel Innovationswille vorhanden ist: Woran hakt es also noch?
Am deutschen Verbraucher. Die Autokäufer der Nation, und zwar nahezu ­unabhängig von ihrem Alter, stehen dem Connected Car gleichgültig bis skeptisch gegenüber. 50 Prozent der 18 - 30-Jährigen, also jener ­Digital-Natives-Generation, die die Autobranche mit den vernetzten Autos gewinnen will, können mit dem Begriff überhaupt nichts anfangen, so eine aktuelle Studie von Deloitte.
Dabei wären sie doch - dem von Mobility-Start-ups herbeigebeteten Trend zum Car-Sharing zum Trotz - potenzielle Kunden: 76 Prozent wollen sich in den nächsten fünf ­Jahren ein Auto anschaffen. Doch die Kaufentscheidung beeinflussen weiterhin vornehmlich klassische Qualitäten wie ­Motorleistung, Verbrauch oder Hubraum und eben nicht Parkassistenten, Tankberater, Notfallbremssysteme oder Informa­tionsdienste.
"Beim Kunden herrscht noch viel Unkenntnis gegenüber den neuen Services", stellt Kristian Döscher, Head of Marketing beim Zulieferer Hella, fest. "Viele sehen den Nutzen für ihr Fahrerlebnis einfach nicht." Tatsächlich haben einige Connected Car Features aufgrund ihrer komplexen Möglichkeiten einen hohen Erklärbedarf. Hier könnte zwar eine aufwendige Probefahrt Abhilfe schaffen - wer einen Stauassistenten einmal im Einsatz erlebt hat, ist schnell überzeugt von dessen Nützlichkeit -, "aber dafür nimmt sich ja kaum noch einer Zeit", so Döscher, weder Autoverkäufer noch die Kunden.
Die Konsumenten, die bereits wissen, was ein vernetztes Auto kann, stehen ihm dennoch überwiegend skeptisch gegenüber: 54 Prozent der 18 - 30-Jährigen fürchten laut Deloitte-Studie, dass ihr Auto gehackt werden könnte. Diese Ängste haben mit Panikmache wenig zu tun, die Gefahr ist höchst real, wie erst im Sommer ein Experiment des US-Techmagazins "Wired" eindrucksvoll bewies: Damals übernahmen Hacker die Kontrolle über einen Jeep des Herstellers Fiat Chrysler. Schwachstelle war die ans Internet angeschlossene Unterhaltungsanlage.
Der Hersteller rief daraufhin mehr als 1,4 Millionen Fahrzeuge zurück und ließ die Software in den Autoradios aktualisieren. Doch die Angst vor der nächsten Security-Lücke bei Tempo 130 bleibt. Neben den Sicherheitsproblemen lassen auch ungeklärte Datenschutz­verhältnisse viele Verbraucher zurückschrecken. Was passiert mit den Daten, die ein Auto während der Fahrt sammelt? Wo werden sie gesammelt, wer hat Zugriff darauf? Wie werden sie geschützt?
Vor allem auf die Fragen in den sen­siblen Bereichen Sicherheit und Datenschutz bleibt die Autobranche ihren ­Kunden also noch so manche Antwort schuldig. Stattdessen versucht sie, das vernetzte Auto fast schon mit Gewalt in den Markt zu drängen: Derzeit ist jeder vierte Neuwagen internetfähig. In den nächsten Jahren soll sich diese Zahl verdreifachen - wenn die Connectivity-­Pakete, für die nur wenige Neuwagenkäufer mehr Geld ausgeben möchten, zur Standardausrüstung ­erklärt werden.
Viele Premiumhersteller bieten ihre vernetzten Fahrzeuge sogar teilweise unter den Produktionskosten an, um sie im deutschen Markt zu verwurzeln. Ob diese Strategie Erfolg haben wird, wird sich zeigen.
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