Connected Car - Vernetzen um jeden Preis
Mit dem Connected Car an die Spitze der Innovation
von Ingrid Lommer - 29.10.2015
Dennoch: Die Autoindustrie ist gewarnt, auch das wird in Frankfurt deutlich. Man will die Fehler anderer Branchen, etwa des Handels oder der Musikindustrie, die sich vom Internet rechts überholen ließen, vermeiden. "Wollen wir eine Zukunft, in der Google anruft und sagt: Schickt mal 500 VW Golf rüber, die Ausstattung machen wir?", so VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh: "Nein, wir wollen das vernetzte Auto lieber selbst gestalten", und die entstehenden Daten selbst nutzen, versteht sich.
Um von Google nicht zum reinen Blechverbauer degradiert zu werden, versucht sich die Branche mit der Digitalisierung neu zu erfinden, bevor ein anderer das Heft in die Hand nimmt. Das kostet: Bis zu 18 Milliarden Euro wollen die deutschen Autobauer in den kommenden Jahren in die Forschung zum vernetzten und automatisierten Fahren stecken.
VW stellt massiv Softwareentwickler ein. Daimler betreibt in Palo Alto einen 200 Mann starken Start-up-Thinktank. BMW bringt immer wieder wegweisende Prototypen auf die Straße, zuletzt einen Mini mit Augmented-Reality-Fahrerbrille. Und alle großen Autobauer, ebenso ihre Zulieferer wie Continental oder Hella, basteln an Szenarien und Lösungsvorschlägen, bei denen vernetzte Autos miteinander (Car2Car), mit der Umgebung (Car2Infrastructure) oder über das Internet mit beliebigen Services (Car2X) kommunizieren.
Es gibt Elektroautos, die sich mit einer Nachricht auf der Apple-Watch melden, wenn die Batterie geladen ist, und solche, die nach dem Ladevorgang selbsttätig aus der Ladestation zu ihrem Standplatz zurückfahren. Es gibt Autos, die mit den Ampeln auf der Strecke kommunizieren und ihre Durchschnittsgeschwindigkeit an die Grünphasen anpasssen.
Manche steuern auch per Stauassistent selbst durch dichten Verkehr und sogar durch Baustellen und geben die gesammelten Informationen über die Verkehrsbehinderung weiter. Einige wieder streamen Musik und Unterhaltungsprogramme auf Basis eines selbst lernenden Algorithmus in die Fahrgastkabine.
Es gibt sogar Autos, die das Fahrzeug dahinter vor gerade gemessenem Aquaplaning warnen und solche, die nach einem Crash selbsttätig den Notarzt rufen. Einige der Wagen merken, wenn sie auf dem Supermarktparkplatz aus Versehen von einem Einkaufswagen gerammt werden und schießen daraufhin mit einer eingebauten Kamera ein Foto vom unachtsamen Einkäufer und leiten selbiges direkt an die Versicherung weiter, damit sie sich um die Schadensabwicklung kümmert: An dieser Stelle wird die Idee vom Connected Car dann unheimlich.
IT-Branche: Das Cockpit ist nur ein weiterer Screen
Auf der anderen Seite stehen die Lösungsansätze der IT-Branche, die sich zumindest auf der IAA sehr interessiert am Gespräch mit den Etablierten der Autobranche zeigte. Für sie ist das Auto-Cockpit einfach der nächste Screen, den es mit Services zu bespielen gilt, ein weiteres Element des allumfassenden Internets der Dinge.
Aber noch führt der Weg auf den nächsten Screen eben über die Autobauer. Deshalb kooperiert beispielsweise die Deutsche Telekom mit BMW, um ihre "Secure Auto Cloud" vorzustellen - auch wenn das System eigentlich herstellerunabhängig ist.
Denn Secure Auto Cloud ist nichts anderes als eine Cloud-Lösung, wie die Telekom sie im Hosting längst anbietet - nur werden eben nicht PCs, sondern Fahrzeuge vernetzt. Diese senden Informationen über Straßenbedingungen, Verkehrshindernisse oder Wetterlagen an einen Cloud Server, der auf Basis dieser Informationen Warnungen an die anderen Nutzer der Auto Cloud weitergibt; was diese Autos dann aus den Informationen machen, liegt wiederum an den Herstellern. Ende 2016 soll ein Pilotprojekt mit mehreren Tausend Bussen gestartet werden.
Ähnlich agiert auch IBM: Der IT-Riese hat seine Internet-of-Things-Backend-Plattform für das vernetzte Auto adaptiert. Die Plattform soll Daten aus dem fahrenden Fahrzeug und Umgebungsdaten wie Informationen zu möglichen Gefährdungen auf der Strecke, zum Verkehrsfluss, zum Wetter und von Serviceangeboten zusammenführen und gebündelt neuen Services zur Verfügung stellen. Das Fahrzeugassistenzsystem "eHorizon" von Continental fußt etwa auf der IBM-Plattform.