Luftfahrt

Passagierflieger mit Wasserstoffantrieb rücken immer näher

von - 08.02.2023
Foto: picture alliance / dpa
Das Brennstoffzellenflugzeug HY4 bei seiner Weltpremiere im Jahr 2016 über dem Stuttgarter Flughafen.
Die Luftfahrt gilt als Klimasünder - und muss daher mit den Emissionen runter. Wasserstoff ist für viele ein Hoffnungsträger. Und die Entwicklung schreitet schnell voran.
Mal eben mit dem Wasserstoffflugzeug von Berlin nach Rom? Wenn es nach der Industrie ginge, soll das in der kommenden Dekade möglich sein. Das Branchenschwergewicht Airbus plant ein marktreifes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb bis 2035. Doch nicht nur beim weltgrößten Flugzeugbauer wird an der Technologie getüftelt. Etwas abseits der großen Aufmerksamkeit bastelt etwa das Stuttgarter Start-up H2Fly schon seit Jahren an Wasserstoffflugzeugen - und will dem Branchenprimus bald zuvorkommen.
Bereits 2016 hatten die Stuttgarter ihren viersitzigen Testflieger HY4 in die Luft gebracht - das damals nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) größte rein mit Wasserstoff angetriebene Flugzeug. In zwei Jahren soll es dann zehnmal so groß werden: Eine 40-sitzige Dornier mit 2000 Kilometern Reichweite soll laut H2Fly-Chef Josef Kallo dann erstmals rein mit Wasserstoff betrieben fliegen - und damit den Grundstein für die kommerzielle Anwendung bilden.
Die dafür benötigten Brennstoffzellensysteme würden derzeit zu einem Gesamtsystem zusammengefügt. Noch in diesem Jahr soll das dann mit einem Flüssigwasserstofftank am Boden gekoppelt werden. «Im Jahr 2024 wird das Ganze ins Flugzeug eingebaut und auch am Boden getestet», so Kallo. 2025 soll es dann erstmals in die Luft gehen. Im HY4 sei man derzeit bei einer Leistung von 120 bis 150 Kilowatt. Der nächste Schritt sei nun, auf ein Megawatt zu gehen. Mit den heutigen Technologien seien ungefähr 4 Megawatt erreichbar - das reiche grob gesagt für einen 60- bis 80-Sitzer.

Ein Triebwerk mit Wasserstoff, eins mit Kerosin

Um die Entwicklung am Stuttgarter Flughafen schneller voranzubringen, entsteht dort unter der Federführung von H2Fly derzeit ein Zentrum für wasserstoff-elektrisches Fliegen, das an diesem Montag (11.45 Uhr) vorgestellt wird.
Doch nicht nur in Stuttgart wird derzeit die Entwicklung von Wasserstoffantrieben für die Luftfahrt vorangetrieben. Das englisch-amerikanische Unternehmen ZeroAvia etwa startete 2020 einen Jungfernflug mit einem 6-Sitzer und brachte im Januar dieses Jahres sogar schon einen 19-Sitzer in die Luft - allerdings wurde nur eines der beiden Triebwerke durch einen Brennstoffzellenmotor ersetzt, das andere wurde mit Kerosin betrieben.
Verschiedenste Start-ups und etablierte Hersteller strebten in den kommenden fünf Jahren kommerzielle Geschäftsreiseflugzeuge mit bis zu 19 Sitzen an, erklärt Björn Nagel, Leiter des DLR-Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt. «Regionalflugzeuge mit bis zu 70 Sitzen könnten innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich werden.»
Der Triebwerksbauer MTU Aero etwa peilt Brennstoffzellen-Antriebe für Flugzeuge an, die 50 bis 100 Passagiere über 1800 Kilometer transportieren können. «Das reicht für etwa drei Viertel aller europäischen Routen», sagte Vorstandschef Lars Wagner jüngst dem «Münchner Merkur».

Erst nur bestimmte Strecken mit Wasserstoff

Airbus will bis 2035 ein marktreifes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt bringen. Mit 100 bis 200 Sitzplätzen könnte die Maschine etwa die Kapazität wie die heutigen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie bieten. Zuletzt machte der Konzern seine Pläne aber vom Ausbau der nötigen Infrastruktur abhängig.
Auch Nagel betrachtet das als große Herausforderung - zeigt sich aber optimistisch. Zu Beginn werde es nur wenige Wasserstoffflugzeuge in der Weltflotte geben, den Betrieb könne man auf wenige Strecken konzentrieren. So bräuchte man zunächst nur an wenigen Flughäfen Infrastruktur zum Betanken - und könne sie dann weiter ausbauen. «Im Prinzip ist das wie mit den Ladesäulen für Elektroautos.»
Neben flüssigem Wasserstoff als Energieträger für Brennstoffzellen sei noch ein weiterer Einsatz des Gases für den CO2-neutralen Umbau der Luftfahrt denkbar, erklärt Nagel: Aus «grünem» Wasserstoff und aus der Atmosphäre gewonnenem CO2 könne künstliches Kerosin hergestellt werden. Der Vorteil: Es könne nahezu direkt in heutigen Flugzeugen verwendet werden. Allerdings brauche es viel Energie für die Herstellung.
Für kurze und mittlere Reichweiten sei der Gesamtenergiebedarf für das Fliegen und die Kraftstoffproduktion mit flüssigem Wasserstoff aktuellen Studien zufolge geringer. Auf der Langstrecke sei hingegen synthetisches Kerosin im Vorteil. Allerdings stecke viel noch in der Entwicklung, daher werde sich erst in den nächsten Jahren zeigen, welcher Energieträger sich durchsetzt. Von David Hutzler, dpa
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