Kommentar

Mark Zuckerberg: Der geplatzte Traum von der Weltherrschaft

von - 02.02.2022
Facebook
Foto: Shutterstock/Frederic Legrand - COMEO
Drei Jahre nach der vollmundigen Verkündung einer digitalen Weltwährung steht das Projekt "Diem" des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg vor dem Aus. Man muss konstatieren: Es gibt überraschend viele Widerstände gegen eine zu große Macht einzelner Konzerne.
7,8 Milliarden Menschen leben auf der Erde, davon 1,4 Milliarden in China. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn China ist das einzige große Land auf dem Globus, in dem Facebook keine nennenswerten Geschäfte betreibt. Vom Rest der Weltbevölkerung - 6,4 Milliarden - hatten Ende 2021 2,9 Milliarden einen Facebook-Account. Rechnet man die Milliarden Accounts hinzu, die die anderen Töchter des Meta-Konzerns, WhatsApp und Instagram, haben, ist es nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet: Meta unterhält zu jedem zweiten Erdenbürger außerhalb Chinas Geschäftsbeziehungen.

Gewaltige Auswirkungen

Diese Größenordnungen muss man im Hinterkopf behalten, um den Impact zu verstehen, den ein digitales, von staatlicher Kontrolle abgekoppeltes, Facebook-Zahlungsmittel hätte. Eine Währung, die der Hälfte der Weltbevölkerung zur Verfügung steht - ohne Devisenbeschränkungen, ohne staatlichen Zugriff, ohne Anrechnung von Guthaben auf Sozialleistungen, ohne Steuern.

Entsprechend groß war die Aufregung, als Facebook-Gründer und Meta-Frontmann Mark Zuckerberg das Projekt Libra 2018 der Öffentlichkeit vorstellte - und der Widerstand, der sich gegen das Projekt formierte. Zuckerberg mühte sich redlich, Bedenken gegen "Libra" zu zerstreuen. Nein, es würde keine Facebook-Währung, und, nein, es würde auch kein zwielichtiges Vehikel für Spekulanten und Darknet-Händler. Schnell gelang es Zuckerberg, wichtige Payment-Player wie Visa und Mastercard an Bord zu holen, doch diese verabschiedeten sich bereits 2020 wieder.

Widerstand von höchster Stelle

Dass ein Projekt von derart großer Tragweite nur drei Jahre nach dem großen, weltweiten Launch einen neuen Namen bekommt - "Libra" wurde Anfang 2021 in "Diem" umbenannt - ist nicht gerade ein Zeichen für gutes Gelingen. Und jetzt pfeifen es die Spatzen vom Dach: Das Projekt einer digitalen Kryptowährung wird eingestampft, Diem wird abgewickelt. Am Ende hatte die Opposition der US-Notenbank Fed den Ausschlag gegeben. Bereits Ex-US-Präsident Trump hatte sich vehement gegen eine frei konvertierbare Cyber-Währung ausgesprochen, sein Nachfolger Joe Biden sieht das offenbar ähnlich.
Mit dem Versuch, eine Parallelwährung zu etablieren, rüttelte Zuckerberg zu stark an den Grundfesten staatlicher Organisationen. Die westliche Welt hat bereits heute größte Mühe, die wirtschaftliche Macht der weltumspannenden Internet-Konzerne in fiskalisch und sozialpolitisch verträgliche Bahnen zu lenken. Gäbe man Konzernen wie Meta noch ihre eigene Währung, wäre der Rest von Einfluss dahin.

Warum scheiterte Google +?

Doch ich glaube, es steckt noch mehr dahinter: Warum schafft es Facebook nicht, eine überzeugende Alternative zu PayPal aufzubauen? Warum ist Google mit dem Versuch, ein populäres Social Network zu etablieren, krachend gescheitert? Warum ist Apple zwar die führende Plattform für mobile Endgeräte, hat aber weder eine eigene Suchmaschine noch eine führende Handelsplattform?
Offenbar gibt es nicht nur staatlichen Widerstand gegen das Bestreben der größten Konzerne auf der Welt, zum allumfassenden Anbieter für alle Bedürfnisse zu werden. Auch die Kunden ziehen nicht mit. Google + scheiterte letztlich nicht deshalb, weil das Social Network schlecht aufgestellt gewesen wäre, sondern deshalb, weil die Nutzer auf breiter Front keinen Anlass sahen, ihr digitales Wohnzimmer dort aufzuschlagen.
Eine ähnliche Erfahrung musste Facebook 2010 machen. Das Social Network stellte allen registrierten Nutzern eine E-Mail-Adresse zur Verfügung. Doch die nutzten sie einfach nicht, selbst dann nicht, als Facebook diese Adresse als primäre Kontaktadresse auf allen Accounts festlegte. 2014 stellte Facebook das Programm wieder ein - der Angriff auf Gmail war gescheitert.

Zuckerberg ist schuld

Sicherlich haben solche Misserfolge gerade bei Facebook auch mit dem ausgeprägt schlechten Image zu tun, das der Meta-Konzern in der Öffentlichkeit genießt. Für alle sozialen Verwerfungen, die soziale Medien im Moment in der Welt erzeugen, wird von eben dieser Welt vor allem Facebook verantwortlich gemacht - und sein Gründer Mark Zuckerberg.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die vollmundigen Ankündigungen von Meta-Chef Zuckerberg, er entwickle die neue virtuelle Welt "Metaverse", mit einiger Skepsis. Ein Metaversum lebt davon, dass alle begeistert mitmachen - und in meinen Augen ist es fraglich, ob alle begeistert mitmachen wollen bei etwas, das von Facebook kommt, egal wie gut es gemacht ist. Ein "Next Big Thing" mit Ansage, das hat bislang selten funktioniert. Und wenn die Ansage von Zuckerberg kommt, dann sind Zweifel daran umso berechtigter.   
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