Energiepreise

Lohnen sich elektrische Paketwagen noch?

von - 23.09.2022
StreetScooter
Foto: Deutsche Post DHL
Der Einsatz von lokal emissionsfreien Lieferfahrzeugen auf der letzten Meile ist gut fürs Klima und gut fürs Image. Doch die jüngsten Preissteigerungen beim Ladestrom machen vielen Betreibern einen Strich durch die Rechnung.
Als Tesla 2013 sein erstes Elektro-Großserienauto auf den Markt brachte, hatte die vollelektrische Limousine serienmäßig ein unglaubliches Extra an Bord: Im Kaufpreis war die kostenlose Nutzung der Supercharger inbegriffen, dem Netz aus Schnellladestationen, das Tesla alsbald überall auf der Welt einzurichten begann. Ein Auto, bei dem man den Treibstoff gratis dazubekommt, und zwar das gesamte Autoleben lang, das hatte es noch nie gegeben. Bereits 2016 war es mit diesem Privileg vorbei. Wer seitdem einen Tesla kauft, muss für die Ladung zahlen. Das läuft zwar sensationell komfortabel ab - das Auto rechnet mit der Ladesäule automatisch ab - aber auch bei Tesla kostet Strom inzwischen Geld.

85 Cent pro Kilowattstunde

Seit kurzem kostet Laden bei Tesla sogar richtig viel Geld. Nach einer Meldung des Online-Portals "Teslamag" erhöhte der kalifornische Autobauer die Tarife an seinen Superchargern auf 69 bis 71 Cent pro Kilowattstunde. Das ist nicht die erste Preiserhöhung in diesem Jahr, aber mit über 20 Prozent die bislang üppigste. Damit ist Tesla jedoch noch nicht einmal der teuerste Anbieter. Immer weiter nähern sich die Preise für eine Kilowattstunde der magischen Grenze von einem Euro. Allegro, der viertgrößte Betreiber von Schnellladern in Deutschland, hat jetzt einen Spitzentarif von 85 Cent pro Kilowattstunde angekündigt - dass es dabei dauerhaft bleibt, ist keinesfalls ausgemacht.
Ein Preisniveau von über 70 Cent pro Kilowattstunde dürfte so manchem Geschäftsmodell, das auf elektrische Lieferfahrzeuge setzt, einen argen Dämpfer verpassen. Denn E-Fahrzeuge sind in der Anschaffung immer noch deutlich teurer als vergleichbare Transporter mit Verbrennungsmotor. Dem gegenüber standen bislang immer wesentlich geringere Betriebskosten - auch und vor allem verursacht durch eine niedrigere Tankquittung.
Dazu ein Rechenbeispiel: Ein elektrischer Lieferwagen wie der oben abgebildete StreetScooter kann etwas mehr als eine Tonne Fracht transportieren und hat einen Normverbrauch von rund 28 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Ein handelsüblicher VW Transporter mit dem kleinsten Dieselmotor kommt bei vergleichbarer Zuladung  - ebenfalls laut NEFZ und nach Werksangaben - mit rund 6 Liter Diesel pro 100 Kilometer aus.

Strom ist teurer als Diesel

Bevor der Ukraine-Krieg die Energiekosten explodieren ließ, kostete eine Kilowattstunde Strom rund 25 Cent, ein Liter Diesel rund 1,30 Euro. Damit kosten 100 km im Bulli 7,80 Euro, im elektrischen StreetScooter dagegen nur 7 Euro glatt. Aktuell, nach dem Auslaufen des Tankrabatts der Bundesregierung, kostet ein Liter Diesel 2,15 Euro, damit benötigt ein Diesel-VW für 100 km Treibstoff im Wert von 12,90 Euro. Damit die Stromkosten für den StreetScooter diese Marke nicht übersteigen, dürfte die Kilowattstunde maximal 46 Cent kosten. Das ist ohne einen festen Abnahmevertrag nicht zu machen. Nach Informationen des Tech-Portals "Golem" bietet EnBW derzeit mit einem Tarif von 55 Cent die günstigste Lademöglichkeit für Kunden ohne festen Abnahmevertrag.
Gewerbliche Betreiber von Elektrofahrzeugen müssen angesichts der starken Preissteigerung für Strom daher ihre Geschäftsmodelle neu rechnen. Allerdings liegt in der Vertragsgestaltung noch ebenso Potenzial wie in der Routenplanung. Denn während ein Liter Sprit überall mehr oder weniger das Gleiche kostet, schwankt der Preis für eine Kilowattstunde aus einer Ladesäule ganz erheblich.

Gleichstrom kostet mehr

So gelten beispielsweise die oben zitierten 85 Cent bei Allegra nur bei Nutzung der neuesten Gleichstrom-Säulen mit bis zu 120 kW Ladeleistung. Ist das E-Fahrzeug darauf vorbereitet, lädt eine solche Hightech-Säule den Akku binnen kürzester Zeit wieder auf - getreu dem Motto "Zeit ist Geld".  Flottenbetreiber, bei denen die Fahrzeuge nur tagsüber laufen, können die ganze Nacht zum Laden nutzen und dabei auf erheblich leistungsschwächere Wechselstromlader setzen, bei denen der Strompreis nicht so hoch ist.
Ebenfalls günstiger fahren Flottenbetreiber mit festen Langfrist-Verträgen, die zum Teil Kilowattstundenpreise von 35 Cent festschreiben. Allerdings haben auch diese Verträge eine endliche Laufzeit - und Neukunden bekommen diese Konditionen auf absehbare Zeit nicht mehr.

Alternative: Lastenrad

Für Lieferanten auf der letzten Meile, die weiterhin emissionsfrei ausliefern und dabei auf geringe Betriebskosten setzen wollen, bleibt einstweilen nur der konsequente Umstieg auf Lastenfahrräder. Ein elektrisch unterstütztes Lastendreirad wie das Urban Arrow Tender kommt mit einer Akkuladung zwar nur 50 km weit und kann auch nur ein Viertel dessen schleppen, was ein StreetScooter packt. Dafür liegt sein Stromverbrauch bei konkurrenzlos niedrigen 1 bis 2 kWh pro 100 km.
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