Customer Relationship Management

CRM-Probleme im E-Commerce: Der unbekannte Kunde

von - 21.10.2019
CRM
Foto: shutterstock.com/Alexander Supertramp
Die ersten CRM-Systeme gingen zeitgleich mit den ersten Online Shops an den Start - dennoch kennen viele Händler ihre Kunden weiterhin schlecht. Was ist falsch gelaufen?
Kein Händler habe bisher die Herausforderung richtig gelöst, das gesammelte Kundenwissen über ein Customer-Relationship-Management (CRM)-System im Alltagsgeschäft nutzbar zu machen. Dieses rigorose Urteil stammt nicht etwa von einem verächtlich auf den "sterbenden Einzelhandel" blickenden Digitalisierungsenthusiasten, sondern von Fabian Engelhorn, CEO des Mannheimer Kaufhauses und Multichannel-Händlers Engelhorn.
Die Einschätzung verwundert auch deshalb, weil CRM-Systeme nicht erst in den letzten Jahren zum Trend geworden sind. 1993 wurde mit Siebel Systems die erste für das Kundenbeziehungsmanagement entwickelte Software-Lösung eingeführt - drei Jahre nach dem Start des ersten Webbrowsers und in etwa zeitgleich mit dem Launch der ersten Online Shops.
Man könnte also davon ausgehen, dass CRM längst eine Paradedisziplin jedes ernsthaften Online- und Multichannel-Händlers ist - doch dass dem nicht so ist, zeigt auch die aktuelle Ausgabe der jährlichen Trendstudie des Kundendatenspezialisten Uniserv: Ganze 62 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, mit der Performance und der ­Effizienz ihres Kundendatenmanagements nicht zufrieden zu sein. Auch im Jahr 2019 bleibt der Kunde für viele Händler also weiterhin ein unbekanntes Wesen. Woran aber genau krankt das CRM im ­E-Commerce und Multichannel-Handel?

Datensilos verhindern effizientes CRM

"Vor allem Händler, die aus dem stationären Umfeld kommen, tun sich mitunter schwer, sich in Online-Nutzer hineinzuversetzen und diese durch passgenaue Kundenerlebnisse und Mehrwertargumentationen zu loyalen Kunden zu machen", erklärt Martin Grass, COO beim Loyalty- und CRM-Lösungsanbieter Defacto. "Gerade wer spät online gegangen ist und strategische wie operative Prozesse und Strukturen aus dem stationären Geschäft digitalisieren muss, tut sich schwer, kundenzentrisch und nicht in 'Channel-Silos' zu denken."
Grass meint damit die Praxis, Daten in verschiedenen, voneinander isolierten Töpfen abzulegen: Die Inhaber einer Kundenkarte im stationären Geschäft ­werden in den Kundenstamm des ERP-Systems eingepflegt; die Daten der Newsletter-Bezieher sind im entsprechenden Newsletter-Tool gespeichert, ebenso die Online-Bestellerdaten, App-Anmeldungen etc. Das führt nicht nur dazu, dass dem Unternehmen der Überblick über seine Kunden fehlt, im ungünstigsten Fall finden sich Kunden auch in mehreren dieser ­"Silos" wieder und werden ­möglicherweise gleichzeitig mit unterschiedlich ausgerichteten Werbemaßnahmen angesprochen.
Martin-Grass
"Vor allem Händler aus dem stationären Umfeld tun sich schwer mit Kundendaten": Martin Grass, Chief Operating Officer (COO) bei Defacto
(Quelle: Defacto )
"Ein Problem gerade bei Omnichannel-Händlern ist das Zusammenspiel von Werbemaßnahmen für anonyme Kunden aus der Offline-Welt und dem Bestandskundenmarketing mit bekannten Kunden aus der Online-Welt", bestätigt Grass. Auch Martin Himmel, Geschäftsführer der E-Commerce-Beratung Ecom Consulting, trifft in Kundengesprächen immer wieder auf dieses Problem: "Bei Unternehmen, die off- und online verkaufen, ist die Qualität der Kundendaten bedingt durch die Trennung der Kanäle oft nicht sehr gut."
Das liege daran, dass es beispielsweise für die Kanäle verschiedene Kundenkarten gebe, die nicht zusammengeführt würden, aber auch an der DSGVO und technischen Aspekten. Gerade wenn darunter das Bestandkundenmarketing leide, sei das für die betroffenen Händler oft recht schmerzhaft. "Die Regel besagt, dass die Reaktivierung eines Bestandskunden nur fünf Prozent von dem kostet, was es braucht, um einen Neukunden zu gewinnen."

Auch Online-only-Händler haben Probleme

Doch sind es bei Weitem nicht nur Händler mit stationären Wurzeln, die mit Datensilos zu kämpfen haben. Holger Stelz, Managing Director CDH Solutions bei Uniserv, weiß aus seiner Erfahrung mit der Trendstudie des Unternehmens: "Auch im E-Commerce-Bereich gibt es das ‚Silo-Phänomen‘, zum Beispiel wenn Daten im Unternehmen in verschiedenen Abteilungen gesammelt werden. Wenn man diese Daten dann nicht zusammenführt und ­bereinigt, ergibt das die gleichen Fehler in der Basis."
Diese Problematik wird zusätzlich von den Eigenheiten verschiedener Programme und Tools begünstigt. "Ein gutes Beispiel ist eine Recommendation Engine, die als Insellösung ­ihren eigenen Datenpool hat. Diese Daten können oft nicht außerhalb der ­Lösung genutzt werden", weiß Berater Martin Himmel.
Ein weiteres Problem beginne oft bereits mit den Produktdaten: "Ein gutes Bestandskundenmanagement fängt mit guten Produktdaten an, um wirklich gute Rückschlüsse auf das Kaufverhalten ziehen zu können. Denn dafür muss man Kunden- und Produktdaten zusammenführen. ­Viele Händler haben aber 50 oder mehr Lieferanten, die oft selbst ­ihre Produkt­daten nicht gut pflegen."
Das unbefriedigende Resultat sei bei den Online-Händlern dann nicht selten das gleiche wie bei den Multichannel-Retailern: Es ­komme zu einer Diskrepanz zwischen dem Anspruch, den man an sein CRM-System stellt, und den tatsächlichen Ergebnissen. Man stellt fest: Das System funktioniert, aufgrund der schlechten Datenbasis gibt es aber kaum verwertbare Ergebnisse.
Verwandte Themen