So sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus

Es gibt keine "one-size-fits-all"-Lösung

von - 26.05.2017
com! professional: Es gibt durchaus einige Menschen, die damit nicht umgehen können. Wie aber schütze ich denn einen Arbeitnehmer davor, dass er sich zum Beispiel nicht völlig überarbeitet? Früher gab es ja nicht so viele technische Möglichkeiten, etwa ständig erreichbar zu sein, oder von überall aus auch meine Geschäfts-E-Mails abzurufen. Was kann die Führungskraft tun, um die Mitarbeiter vor dieser permanenten Präsenz zu schützen?
Nikolaus Reuter
Nikolaus Reuter ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Etengo (Deutschland) AG: "Der Arbeitsplatz der Zukunft muss und wird hochgradig vernetzt sein."
(Quelle: Etengo )
Henrichsen: Es gibt hier keine, ich nenne es mal „one-size-fits-all“- Lösung, die sich auf alle Mitarbeiter exakt gleich anwenden lässt. Ich persönlich zum Beispiel muss, um abschalten zu können, mein Firmen-Handy ausschalten und bin dann aber auch komplett raus. Wichtige Leute haben meine Privatnummer und wenn wirklich etwas extrem Wichtiges ist, bekomme ich eine SMS. Aber grundsätzlich gilt für mich, dass ich von Zeit zu Zeit einfach völlig raus muss. Sonst kann ich in Arbeitsphasen einfach nicht volle Power geben. Genauso gibt es aber auch Menschen, die nur mit diesem permanenten Informationsfluss abschalten können. Mehr noch, selbst wenn sie in den Urlaub fahren oder ein paar Tage frei haben und zu Hause sind, nehmen sie ihr Handy mit oder rufen ihre Firmen-E-Mails ab. Einfach als Nervenberuhigung, dass alles okay ist.
Genauso halte ich absolut nichts von Regelungen, wie „Nach 18:00 werden keine E-Mails mehr geschrieben.“ Das funktioniert einfach nicht. Wie schon gesagt gibt es einfach Menschen, die zu späterer Stunde besser arbeiten können, andere eher früher. Das heißt nicht, dass solche Mails sofort beantwortet werden müssen. Aber dem Absender zu verbieten, um diese Uhrzeit eine zu schreiben, funktioniert auch nicht.
com! professional: Es bringt also nichts, einem Workaholic einfach das Handy abzunehmen?
Reuter: Nein. Es bringt Ihnen ja nichts, wenn Sie damit einen Zwang ausüben. Wie Herr Henrichsen schon gesagt hat, „ab 18:00 keine Mails mehr“ ist Bullshit. Vielmehr ist es beim Arbeitsplatz der Zukunft wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters einzugehen. Ein IT-Nerd hat da eben andere, als zum Beispiel ein Mitarbeiter in der Rechnungsabwicklung. Und auch hier gibt es Heterogenität.
Henrichsen: Hier komme ich wieder zum situativen Arbeiten. Ein meiner Meinung nach zunehmend wichtiges Thema, wenn wir vom Arbeitsplatz der Zukunft sprechen. Ich habe Mitarbeiter, die in gewissen Phasen eines Projektes 10 – 12 Stunden am Tag mit riesen Enthusiasmus reinhauen. Weil sie für das Projekt einfach brennen und nur so sprühen vor Produktivität. Diese Leute da zu bremsen wäre absolut falsch. Manchmal ist es eben so, dass man zwei oder drei Monate in einem Projekt Vollgas gibt. Es ist nur wichtig, dass man als Führungskraft nach so einem Projekt dafür sorgt, dass es auch eine kurze Ruhepause gibt. Zum Beispiel, dass man einfach schon um 15:00 Feierabend macht. Nur so kann man gewährleisten, dass das Team dann beim nächsten Projekt wieder genug Power hat.
com! professional: Aber was ist denn mit Mitarbeitern, die zum Beispiel ihr Leben lang „analog“ gearbeitet haben und mit dem Digitalisierungsprozess nicht zurecht kommen?
Reuter: Hier muss das Stichwort „Soziale Innovation“ fallen. Allerdings sind wir hier noch ganz am Anfang. Akut wird das wohl ohnehin erst in 20 – 25 Jahren. Bis dahin wird sich der Arbeitsplatz noch extremer verändern, als das jetzt schon der Fall ist. Ich persönlich glaube, dass wir uns als Gesellschaft in aller Ehrlichkeit eingestehen müssen, dass wir hier nicht alle Menschen mitnehmen können. Einige wollen das einfach nicht und andere können es tatsächlich nicht. Ich sage immer ganz gerne zu meinen Leuten, die Utopie der Bundesagentur für Arbeit, aus einem langzeitarbeitslosen Metzger einen IT-Experten in der Cloud zu machen ist schwachsinnig.
Das heißt, wir werden leider Leute haben, die definitiv fehlqualifiziert sind. Die dürfen wir natürlich nicht komplett zurücklassen. Dazu gibt es ja die große Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Nur: Wie könnte das finanziert werden? Eine Idee hierbei ist etwa die Maschinensteuer. Aber wie gesagt: Hierbei stehen wir noch ganz am Anfang. Das bedarf noch viele Jahre an Diskussion. Professor Dueck hat es auf dem Symposium auf den Punkt gebracht: Deutschland sollte nicht schon wieder den ‚Fehler begehen, jetzt ein Gesetz zu ersinnen, das erst in 25 Jahren wirklich gebraucht wird‘. Wir können jetzt einfach noch gar nicht absehen, wie die Welt dann aussieht und wie ein solches Gesetz aussehen muss.
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