Informationen in den Griff bekommen

Hürden, Fazit und Anbieter

von - 28.06.2022

Welche Hürden zu nehmen sind

Doch damit eine Content-Services-Plattform sich zu einem „Digitalisierungsturbo“ entwickeln kann, ist eine sorgfältige Vorbereitung essenziell. „Die entscheidende Frage ist, wie Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt und bereitgestellt werden können“, unterstreicht Ralph Rotmann von Kyocera Document Solutions. „Denn ein CSP-System muss in die vorhandene Infrastruktur und Prozesslandschaft eingebunden werden.“
Mario Dönnebrink
Bis vor Kurzem Vorstandsvorsitzender und CEO von d.velop
Foto: d.velop
„Digitales Denken geht anders. Das müssen die Menschen lernen, wenn ein Unternehmen eine Content-Services-Plattform einführen will.“

Interessenten sollten daher prüfen, ob die Lösung über offene Schnittstellen (APIs) verfügt und welche Integrationen in ERP- und CRM-Systeme vorhanden sind. Wichtig ist, dass die zentralen Business-Anwendungen von SAP, Microsoft, Oracle und Salesforce unterstützt werden. Doch nicht nur auf die Integration im Backend kommt es an: „Es zählt auch die Flexibilität im Frontend“, gibt Herbert Lörch  zu bedenken. Das heißt, die Content-Services-Plattform sollte sich in die Benutzeroberfläche der Applika­tionen einbinden lassen, die die User einsetzen, etwa Microsoft Sharepoint oder Google Workspace.
Zu den größten Herausforderungen zählt jedoch, „die bisherigen Prozesse neu zu denken“, sagt Mario Dönnebrink. Manager, IT-Fachleute und Beschäftigte müssten ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, wenn nicht mehr ein Mitarbeiter der Hauspost mit zig Kopien eines Vertrags durch das Firmengebäude marschiert – in der Hoffnung, alle Kollegen anzutreffen, die das Dokument unterzeichnen müssen. „Digitales Denken funktioniert anders. Das müssen die Menschen lernen“, so Dönnebrink.
Die passende Content-Services-Plattform finden
Bei der Auswahl und Implementierung einer CSP sind die folgenden Punkte zu beachten:
  • Informationsquellen ermitteln und analysieren, auf welche Weise die Mitarbeiter Daten erfassen, speichern, verwalten und nutzen. Dabei müssen Datenquellen berücksichtigt werden wie Microsoft Sharepoint, ältere Legacy-Applikationen und ECM-Lösungen. Die CSP sollte Dokumente, Daten, Multimedia-Informationen und IoT-Daten verarbeiten können. Das gilt auch für große Datenmengen.
  • Vorhandene Prozesse im Bereich Dokumenten- und Records-Management auf den Prüfstand stellen, um herauszufinden, welchen Mehrwert eine CSP bieten kann. Wichtig ist etwa, dass sich Daten in einen Kontext einordnen lassen und allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden können. Auch die Optimierung von Prozessen zählt zu den potenziellen Vorteilen.
  • Die Integration in Services und Anwendungen beachten. Die CSP sollte beispielsweise mit Geschäftsanwendungen und Kernsystemen wie SAP, Oracle, Salesforce oder Microsoft Dynamics zusammenarbeiten, ebenso mit Datenbanksystemen und Cloud-Services.
  • Prüfen, welche Funktionen für Data Governance zur Verfügung stehen. Erforderlich sind etwa Regelwerke (Policies). Sie legen fest, auf welche Informationen einzelne Nutzergruppen Zugriff haben. Das ist vor allem in Branchen wie dem Finanz- und Gesundheitswesen sowie dem öffentlichen Sektor wichtig.
  • Auf die Nutzerfreundlichkeit achten. Die sperrige Bedienung ist ein Schwachpunkt herkömmlicher ECM-Systeme. Daher sollten die Fachabteilungen mit den IT-Spezialisten prüfen, wie sich Workflows möglichst nutzerfreundlich auf einer CSP abbilden lassen. Dabei spielen Punkte eine Rolle wie die Interaktion von Anwendungen, die Integration von Geschäftsanwendungen, Prozessen und Informationsquellen sowie leistungsfähige Suchfunktionen. Zudem sollten User weiter ihre gewohnten Tools einsetzen können.
  • Die Nutzungs- und Bereitstellungsmodelle einer CSP berücksichtigen. Anwender sollten die Wahl haben, ob sie die Plattform im eigenen Rechenzentrum (On-Premise), im Rahmen eines Hosting-Dienstes, in einer Hybrid-Cloud oder als Public-Cloud-Service einsetzen möchten.
  • Neue Arbeitsmodelle wie Hybrid Work mitbedenken. Speziell für hochqualifizierte Mitarbeiter wie Data Scientists ist es wichtig, dass sie nicht nur im Firmenbüro, sondern auch im Homeoffice oder auf Dienstreise Zugang zur Content-Services-Plattform haben. Auf eine cloudbasierte CSP können solche Mitarbeiter beispielsweise vom Tablet oder Notebook aus über eine gesicherte Internetverbindung zugreifen.
  • Prüfen, ob Low-Code-/No-Code-Entwicklungs-Tools vorhanden sind. Damit können auch technisch weniger versierte Nutzer neue Anwendungen entwickeln. Ein weiterer Vorteil wäre dann: Anpassungen an neue oder geänderte Prozesse erfordern einen geringeren Aufwand.
  • Auf Aspekte wie Compliance und Datenschutz achten. Das ist beispielsweise im Geltungsbereich der EU-Datenschutz-Grundverordnung unerlässlich. Die CSP-Lösung muss sicherstellen, dass die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden, und sie muss sich schnell an geänderte Vorgaben anpassen lassen. Das gilt insbesondere für Prozesse, die automatisiert wurden.
  • Künftige Anforderungen berücksichtigen. Interessenten sollten beispielsweise prüfen, ob die Plattform Technologien wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning unterstützt. Diese werden etwa bei der Klassifizierung und Auswertung von Daten immer wichtiger. Außerdem sind Faktoren wie die Skalierbarkeit und die Upgrade-Politik des Herstellers zu beachten. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung einer Plattform ist großen und oft kostspieligen Release-Wechseln vorzuziehen.

Trends: KI und Kunden

Zu den Technologien, die Content-Services-Plattformen künftig stärker als bislang prägen werden, zählen vor allem Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. „Mithilfe von integrierten KI-Funktionen erhalten Nutzer unserer Doxis4-Plattform einen 360-Grad-Blick auf alle Inhalte“, erklärt zum Beispiel John Bates von der SER Group. „Auf dieser Basis können Nutzer bessere Entscheidungen treffen und Risiken minimieren.“
KI dient bei einer CSP vorzugsweise dazu, Informationen und Daten zu klassifizieren und in einen Kontext einzuordnen, der für bestimmte Nutzergruppen relevant ist. Auf Basis dieser Klassifizierung und kontextbezogenen Informationen erstellen KI-Engines Prognosen. Die können einen Versicherungsfall betreffen oder – im Endkundenbereich – die Suche nach Produkten und Services vereinfachen. „Das mühsame Prüfen und Sortieren von Daten und Dokumenten läuft einfacher und schneller ab“, so Mario Dönnebrink.
Ebenfalls in Richtung einer zielgerichteten Ansprache von Kunden geht ein weiterer Trend: die stärkere Einbindung von Interessenten und Kunden in Prozesse über Portale, die eine Content-Services-Plattform bereitstellt. „Vereinfacht gesagt ermöglicht es die CSP einem Anbieter, seine Daten und Dokumente so gut aufzuräumen, dass er seine Kunden direkt darauf zugreifen lassen kann, natürlich unter Beachtung der erforderlichen Schutzmaßnahmen“, erläutert Herbert Lörch. Wichtig dabei ist allerdings, dass Nutzer und Kunden jederzeit die Kontrolle über die Daten haben, um zum richtigen Zeitpunkt die passenden Entscheidungen zu treffen, so Ralph Rotmann von Kyocera Document Solutions.

Fazit & Ausblick

Evolution oder Revolution? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht, wenn man sich die Entwicklung vom Enterprise Content Management hin zu den Content Services Platforms anschaut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass  die Anbieter von ECM-Systemen ihre Lösungen selbst in Richtung CSP weiterentwickelt haben oder gerade dabei sind, das zu tun.
Unbestreitbar ist, dass CSP-Lösungen eine Reihe von  Vorteilen gegenüber klassischen ECM-Anwendungen aufweisen – etwa den Zugriff auf unterschiedliche Datenquellen, Schnittstellen zu einer Vielzahl von externen Anwendungen und einen hohen Automatisierungsgrad bei der Klassifizierung von Dokumenten und Daten in Verbindung mit der Fähigkeit, diese in einen Kontext einzusortieren.
Noch wichtiger jedoch ist, dass sich im CSP Informationen aus unterschiedlichen Quellen mit Prozessen verknüpfen lassen. Erst dadurch ist es möglich, Abläufe maximal zu automatisieren. Das befreit nicht nur Nutzer von zeitraubenden und nervigen Aufgaben, sondern es erhöht auch die Reaktionsschnelligkeit eines Unternehmens. Dies wiederum ist in Zeiten unverzichtbar, in denen eine hohe Agilität zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählt.
Anbieter von Content Services Platforms (CSPs) – Auswahl Teil 1
(Quelle: Contentserve / Wildcard )
Anbieter von Content Services Platforms (CSPs) – Auswahl Teil 2
(Quelle: Contentserve / Wildcard)
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