Content-Services-Plattformen (CSPs)

Informationen in den Griff bekommen

von - 28.06.2022
Foto: Shutterstock / ZinetroN
Content-Services-Plattformen automatisieren Prozesse in Unternehmen und optimieren den Informationsfluss.
Ein wesentlicher Vorzug des digitalen Zeitalters ist: Unternehmen stehen viel, viel mehr Informationen zur Verfügung als früher. Doch das hat auch Tücken. Eine Herausforderung besteht darin, Mitarbeitern, Partnerfirmen und Kunden möglichst in Echtzeit diejenigen Daten und Informationen – den Content – bereitzustellen, die sie tatsächlich benötigen. Das ist allein wegen der explodierenden Datenmengen ein Problem.
So nimmt laut der IDC-Studie „Data Driven Intelligence 2021“ in einem Drittel der deutschen Unternehmen die Datenmenge pro Jahr zwischen 30 und 60 Prozent zu.
Bernd Hennicke
Vice President Product Marketing, Opentext
Foto: Opentext
„Content-Services erweitern ein ECM-System um einen optimierten Informationsaustausch und Funktionen für die Automatisierung, die Zusammenarbeit und die Analyse.“

6 Prozent verzeichnen sogar eine noch höhere Steigerung. Das kann dazu führen, dass immer mehr Informations­silos im Unternehmen entstehen. Abhilfe sollen Content Services Platforms (CSPs) schaffen. Sie ergänzen beziehungsweise ersetzen Lösungen für das Enterprise Content Management (ECM).
„Bereits mit einem ECM-System ist es möglich, Content im Unternehmen zu erfassen, zu verwalten und zu speichern“, erläutert Bernd Hennicke, Vice President Product Marketing des Software-Hauses Opentext. „Content- Services erweitern diese Lösungen um einen besseren Informationsaustausch sowie Funktionen für die Automatisierung, die Zusammenarbeit, Stichwort Collaboration, und die Analyse.“

Aus ECM wird CSP

Härter geht Herbert Lörch, Senior Vice President Western Europe des Information-Management-Spezialisten M-Files, mit herkömmlichen ECM-Systemen ins Gericht: „Die Grundidee von ECM war immer, alle Inhalte, also Dokumente, Dateien und weitere Informationen, auf einem einheitlichen System zu konsolidieren. Mit Blick auf die Zahl der unterschiedlichen Systeme, die in Unternehmen im Einsatz sind, ist dieser Ansatz häufig gescheitert.“
Mit einer CSP dagegen verbleiben die Inhalte auf den unterschiedlichen Plattformen, etwa einem Dateisystem auf Servern im Firmenrechenzentrum, auf Microsoft Sharepoint oder in Geschäftsanwendungen wie SAP oder Salesforce. „Diese Dokumente und Daten werden jedoch auf einheitliche Weise klassifiziert, verschlagwortet, geschützt und archiviert“, so Lörch weiter.
Auch die Association for Information and Image Management (AIIM) betrachtet CSPs als Weiterentwicklung von ECM-Systemen. Erst Content-Services-Plattformen bringen nach Einschätzung der Herstellervereinigung die Vorteile, die sich Nutzer bereits von einem Enterprise Content Management erhofft haben. Dazu gehören eine „intelligente“ Erfassung von Informationen und deren Verteilung an User, Prozesse und Fachbereiche.
„Letztlich geht es darum, einem Nutzer die gewünschten Informationen in Sekundenschnelle bereitzustellen, wann und wo er sie benötigt, und diese Daten unter Berücksichtigung aller Compliance-Regel aufzubewahren oder zu löschen“, ergänzt Ralph Rotmann, Business Development Manager bei Kyocera Document Solutions.
Im Vergleich zu ECM-Lösungen weisen CSPs weitere Unterschiede auf: Sie sind keine geschlossenen, herstellerspezifischen Systeme, sondern verfügen über offene Schnittstellen (APIs). Darüber lässt sich eine solche Plattform mit unterschiedlichen Datenquellen, Anwendungen und Prozessen verknüpfen. Die Dienste einer CSP werden häufig in Form von Microservices und Software-Containern bereitgestellt. Zu diesen Services zählen ein Dokumenten- und Records-Management sowie die Verwaltung von Verträgen und Fällen (Case-Management).
Durch diese modulare, offene Struktur kann ein Unternehmen nach Bedarf weitere Applikationen hinzufügen, etwa zum Bearbeiten von Dokumenten von Mitarbeitern und Bewerbern durch die HR-Abteilung. Diese Offenheit von Content-Services-Plattformen zeigt sich auch bei der Bedienung: Sie ist darauf ausgerichtet, die Plattform möglichst vielen Nutzern zugänglich zu machen, nicht nur Spezialisten. Auch Apps für Mobilsysteme wie Tablets und Smartphones sowie Browser kommen dabei zum Einsatz.
Die Struktur einer Content-Services-Plattform am Beispiel von SER Doxis4
(Quelle: SER Group )
„Eine Grundvoraussetzung ist neben dem Funktionsumfang eine einfach verständliche, intuitive Anwender­oberfläche“, betont denn auch Mario Dönnebrink, der bis vor Kurzem CEO von d.velop war, einem Spezialisten für Content-Services. „Eine solche Oberfläche ermöglicht es Nutzern von Content-Services-Plattformen, ohne aufwendige Schulungen mit digitalen Dokumenten umzugehen und dies als Erleichterung ihrer täglichen Arbeit zu begreifen.“

Warum Content-Services so wichtig sind

Doch warum benötigen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen überhaupt eine Content-Services-Plattform? „Unternehmen stehen vor der Aufgabe, eine gemeinsame Sicht auf Informationen und Zusammenhänge zu erlangen, und dies in einer Welt, die durch Lösungen von SAP, Salesforce, Microsoft und vielen weiteren Anbietern geprägt ist“, weiß John Bates, CEO der SER Group. Das Unternehmen hat seine ECM-Lösung Doxis4 deshalb zu einer Content-Services-Plattform weiterentwickelt.
Dr. John Bates
CEO, SER Group
Foto: SER Group
„Mit KI-Funktionen erhalten Nutzer einer CSP einen 360-Grad-Blick auf alle Inhalte.“
Um diese umfassende Sicht zu erreichen, müssen John Bates zufolge Informationen und Prozesse systemübergreifend verbunden werden. In der Praxis bedeutet dies, dass Dubletten entfernt und alle Informationen in einen Kontext eingeordnet werden. Im CSP „sehen Mitarbeiter alle Dokumente und Daten in einer zentralen Übersicht, etwa die Ansprechpartner bei einem Projekt“, erläutert M-Files-SVP Herbert Lörch. Das sei auch dann der Fall, wenn sich die Unterlagen an unterschiedlichen Stellen befänden. „Außerdem ermöglicht es eine einheitliche Klassifizierung in Verbindung mit Metadaten, Prozesse zu automatisieren und Compliance- und Datenschutzvor­gaben einzuhalten.“

CSP als Digitalisierungsturbo

Bernd Hennicke von Opentext sieht einen weiteren strategischen Grund, der für die Einführung einer Content Ser­vices Platform spricht: „Solche Plattformen sind von zen­traler Bedeutung für Digital-Workplace-Strategien. Dadurch können Mitarbeiter von überall aus auf Content zugreifen und Inhalte sicher verwalten.“ Ein Faktum, das um­so wichtiger geworden ist, seit mit der Covid-19-Krise neue Arbeitsmodelle an Bedeutung gewonnen haben, etwa Hybrid Work (teils Firmenbüro, teils Homeoffice) und Work from Anywhere (standortunabhängige berufliche Tätigkeit).
Auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen setzt voraus, dass Content über die Grenzen von Fachabteilungen und Geschäftsbereichen verfügbar ist, betont Mario Dönnebrink: „Nur wenn es einen Ort gibt, an dem digitale Informationen rechtskonform und revisionssicher auf­bewahrt werden, ist es möglich, Abläufe im Unternehmen zu automatisieren, mit den dort abgelegten Dokumenten zu arbeiten und sie über Unternehmensgrenzen hinweg verfügbar zu machen.“
In fast jedem Unternehmensbereich gibt es dokumentenbasierte Prozesse, die sich mit Content Services Platforms vereinfachen lassen, so John Bates. „Denken Sie nur an die Bearbeitung von Kreditanfragen, die Regulierung von Schadensfällen im Versicherungswesen und das Auftragsmanagement.“
Ralph Rotmann
Business Development Manager, Kyocera Document Solutions
Foto: Kyocera Document Solutions
„Die entscheidende Frage ist, wie Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt und bereitgestellt werden können.“

Zudem kommen CSPs dort in Betracht, wo Inhalte aus unterschiedlichen Anwendungen kombiniert werden müssen. Das ist beispielsweise im Vertrieb oder dem Beschaffungswesen der Fall. Dort fließen Informationen aus dem ERP- und dem CRM-System, dem Shopfloor in einem Fertigungsunternehmen und aus der Warenwirtschaft zusammen.
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