Digitalbranche

Wie sich Frauen an der Spitze von Start-ups behaupten

von - 18.12.2019
Frauenpower
Foto: shutterstock.com/pathdoc
Auf acht Männer kommen bei deutschen Start-ups nicht mal zwei Frauen als Gründerinnen. Dabei gibt es in der digitalen Branche durchaus Pionierinnen. Könnte das Ungleichgewicht mit den unterschiedlichen Ideen vom Glück im Job zu tun haben? Eine Spurensuche.
Auf ihrem Weg nach oben hat die 29-Jährige ausgiebig trainiert, Widerstände wegzuräumen. "Bei Kundenbesuchen hatte ich einen Praktikanten dabei", erinnert sich Janina Mütze an die Frühphase ihrer Firma Civey. "Meine Gesprächspartner haben mich anfangs nicht voll ernst genommen und dachten, er sei der Chef, nicht ich."
Janina Mütze hat das Start-up für Meinungsumfragen 2015 mitgegründet. Wer sie heute besucht, trifft eine digitale Wegbereiterin. Und eine Chefin, die nach Ursachen sucht, warum nicht mehr Frauen ähnliche Laufbahnen einschlagen. "Für mich war die Gründung die glücklichste Entscheidung, die ich je getroffen habe." Janina Mütze sitzt auf einem blauen Loungesofa, um sie herum in den Büros in Berlin-Kreuzberg tüfteln junge Typen an Rechnern. Civey mischt mit online-basierten Methoden die Marktforschung auf.

Vorbilder helfen

Der Erfolg hat zwar auch Kritiker auf den Plan gerufen, darunter manche Platzhirsche. Diese bezweifeln, dass Civeys Umfrageergebnisse repräsentativ sind. Doch Janina Mütze hält energisch dagegen. Durchsetzen hat sie gelernt. "Dabei hat mir geholfen, Artikel über erfolgreiche Frauen zu lesen. Auch über Angela Merkel, über ihren Führungshabitus in einer männerdominierten Welt."
Janina Mütze
Civey-Mitgründerin und COO Janina Mütze
(Quelle: Civey )
Inzwischen ist sie selbst Vorbild, Rolemodel, wie gerne englisch formuliert wird. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" hob sie in eine Liste der Nachwuchsstars, genannt "30 unter 30". Im Bundesverband Deutscher Start-ups macht sie sich dafür stark, dass die Gründerszene weiblicher wird. Im Frühjahr stellte sie die Studie "Female Founders Monitor" mit zusammen.
Der Bericht liefert eine Bestandsaufnahme über Frauen in dem Sektor. Viele sind es nicht: Der Anteil der Start-up-Gründerinnen liegt danach bei etwas über 15 Prozent. Tendenz minimal steigend.
In den Aufsichtsräten, sprich den Kontrollgremien, der großen börsennotierten Unternehmen mischen immerhin über 30 Prozent Frauen mit. Die Vorstände hinken weit hinterher: Die Macht in den Börsenunternehmen ist nach Studien - wie der Allbright-Stiftung und des Frauenverbandes Fidar - zu rund 90 Prozent in Männerhand.
Der Zuwachs in Aufsichtsräten gilt mit als Resultat der ab 2016 staatlich verordneten Frauenquote. Bei den Start-ups haben die Pionierinnen es selbst in der Hand: Wenn sie Unternehmen erfinden, läge es an ihnen, eine Umgebung zu schaffen, in der Frauen gerne arbeiten.

Definition von Glück

Warum ergreifen trotzdem so wenige diese Chance? Oder ist, wie manche vermuten, die Start-up-Welt noch abschreckender für die weibliche Hälfte der Gesellschaft als ein normales Angestelltendasein? Janina Mütze weiß, dass die Sache komplex ist. Überall existieren Hürden: bei der Schulbildung, die Jungs und Mädchen unterschiedlich motiviert, bei Arbeitszeitmodellen - bei den Frauen selbst. Frauen seien häufig risikoscheu, sagt sie.
Dennoch: Sie spricht fasziniert von der Macht zur Gestaltung. "Im digitalen Umbruch werden ganz viele Regeln neu geschrieben. Das sind Regeln, die wir selbst schreiben können." Per Definition sind Start-ups innovativ, häufig digital unterwegs und auf schnellem Expansionskurs. Das unterscheidet sie von anderen Gründungen wie kleinen Läden, Kosmetikstudios und Arztpraxen. "Wir sind ja der neue Mittelstand", legt die studierte Volkswirtin die Latte hoch.
Und Glück im Job? Sie hat Spaß an Selbstbestimmung und der "steilen Lernkurve": "Ich bin nicht in irgendeinem Korsett oder in einer Organisation, wo ich die Idee erstmal durchsetzen muss. Sondern das ist mein Baby. Ich habe dafür hart gearbeitet, aber diese Freiheit ist auch ein Geschenk."
Ist das kein Reiz für andere? "Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die mehr Frauen zur Gründung bringen", ist Janina Mütze überzeugt.
Kinder, gerade Mädchen anders zu fördern, ist eine der Ideen von Verena Pausder. Die Unternehmertochter, 40, dreifache Mutter und Gründerin, möchte helfen, widerständige Rollenmuster in Schulen und Unis aufzubrechen. Ihrer Meinung nach muss man da ansetzen, wo Jungen ihre Interessen an Technik und Naturwissenschaft beständig ausbauen - und Mädchen früh zurückbleiben.

Apps als Erfolgskonzept

Pausder gehört mit zu den weiblichen Leitfiguren der Start-up-Welt. 2012 hob sie Fox & Sheep mit aus der Taufe, ein Unternehmen für anspruchsvolle Kinder-Apps. Kein soziales Projekt, wie sie betont, sondern eine marktorientierte Idee. 2010 hatte Apple das iPad lanciert, für sie ein Auslöser: "Mir war schnell klar, dass das iPad und mobile Geräte die Art und Weise, wie Kinder aufwachsen, spielen und lernen, nachhaltig beeinflussen werden." Dass die Firma auch andere Länder anpeilte, ist für die Macherin selbstverständlich.
Ihr kleines Büro mit teils rohen Ziegelsteinwänden liegt in einem Hof in der Linienstraße im hippen Teil von Berlin-Mitte. Im Regal stehen Pokale, Preise für Erfolge bei digitaler Bildung und als Rolemodel.
Seit 2016 - der Spielzeughersteller Haba hatte zuvor die Mehrheit an Fox & Sheep übernommen - baute Pausder die Haba Digitalwerkstätten auf. Sechs- bis Zwölfjährige lernen da programmieren und Roboter zu bauen - an mittlerweile zehn Standorten und in mobilen Werkstätten.
Verena Pausder ist zudem Mitveranstalterin eines Berliner Gründerballs. Dresscode: Abendrobe und Smoking. Extra Applaus gab es dort im November für die Idee eines Dinner-Tisches nur für Gründerinnen. Außerdem hat Pausder die Initiative Start-up Teens mit ins Leben gerufen. Die Plattform soll unternehmerisches Denken von 14- bis 19-Jährigen fördern. Beim Ball präsentierten auch mehrere engagierte Mädchen in Video-Beiträgen ihre Ideen.
"Wenn es im Durchschnitt nur 15 Prozent Frauen im Start-up-Sektor gibt, bedeutet das: In einigen Bereichen, etwa in Handel oder E-Commerce, gibt es mehr Frauen, in anderen gar keine", erläutert Pausder. "Auf einer Konferenz zum Thema Finanzdienstleistungen, also FinTech, sitzt dann im Zweifel auch keine Frau auf dem Podium." Das wirke auf andere abschreckend.
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