Wie Digitalisierung die Effizienz frisst

Im Dickicht der Kennzahlen

von - 02.05.2023
Wer grüner werden will, muss zunächst einmal den Status quo kennen. Das ist in IT-Infrastrukturen gar nicht so einfach, wie das Beispiel Rechenzentrum zeigt. Lange galt der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) als wichtigste Maßzahl für die Energieeffizienz eines Rechenzentrums. Er setzt den Gesamtaufwand an Energie ins Verhältnis zu dem Anteil, der tatsächlich für die IT-Leistung verbraucht wird. Bei einem PUE-Wert von eins fließt die gesamte Energie in die IT, bei einem Wert von zwei nur die Hälfte.
Alexander Rabe
Geschäftsführer des eco – Verband der Internetwirtschaft
Foto: Bettina Keller
„Vorgaben, dass Rechenzentren 30 bis 40 Prozent ihrer Abwärme abgeben müssen, sind sowohl technisch nicht umsetzbar als auch betriebs­wirtschaftlich kaum sinnvoll.“
Aktuell gelten Rechenzentren mit einem PUE von 1,3 oder kleiner als energieeffizient. Laut einem im Oktober 2022 bekannt gewordenen Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz müssen Rechenzentren, die ab 2025 in Betrieb gehen, diesen Wert einhalten. Die Industrie ist allerdings schon längst weiter. Intel ist es nach eigenen Angaben bereits 2015 gelungen, einen PUE-Wert von 1,06 zu erreichen, laut GRC, einem Spezialisten für füssigkeitsgekühlte RZ-Lösungen erreichen seine Rack-Systeme sogar Werte von 1,03. In der Realität kommt von diesen Effizienzgewinnen leider nicht viel an. Dem „Global Data Center Survey“ des Uptime-Instituts zufolge dümpelt der globale PUE im Schnitt seit Jahren um die 1,6-Marke.
Die Aussagekraft des PUE-Werts ist ohnehin sehr begrenzt, denn er gibt keine Auskunft über die Effizienz der IT selbst, sondern setzt nur deren Anteil ins Verhältnis zum Gesamtverbrauch. Gesetzgeber, Verbände und Standardisierungsgremien arbeiten deshalb schon länger an Kennzahlen, die ein realistischeres Bild über die Energieeffizienz eines Rechenzentrums geben als der PUE-Wert. Zwei bekannte Key Performance Indicators (KPIs) sind die Information Technology Equipment Energy Efficiency for servers (ITEEsv, ISO/IEC 30314-4) und die IT Equipment Utilization for servers (ITEUsv, ISO/IEC 30134-5). ITEEsv ist ein Maß dafür, wie viel Rechenleistung ein Server im Verhältnis zum Stromverbrauch bietet, während der ITEUsv-Wert die durchschnittliche Auslastung angibt.
Die Top-Herausforderungen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen
(Quelle: IDC 2022 )
Allerdings haben auch diese beiden Werte Nachteile. ITEEsv setzt nur Benchmarks ins Verhältnis, sagt aber nichts über die tatsächliche Auslastung der Server im Rechenzentrum aus. Die wird im ITEUsv zwar berücksichtigt, aber nur als recht grober Mittelwert. Die Internationale Energieagentur (IEA) schlägt deshalb in ihrem „Technology Collaboration Programme on Energy Efficient End-Use Equipment (4E TCP) – Electronic Devices and Networks Annex“ (EDNA, eia-4.org/edna) ergänzende Kennzahlen vor. Die beiden Maße Server Idle Coefficient (SIC) und Datacenter Idle Coefficient (DCIC) geben an, wie viel Energie pro Server beziehungsweise pro Rechenzentrum tatsächlich für IT-Leistung verwendet wird. Bei einem SIC- beziehungsweise DCIC-Wert von null Prozent würde die gesamte eingesetzte Energie in Rechenleistung umgewandelt, bei 100 Prozent komplett verschwendet. Erste Tests in einem Amsterdamer Data-Center zeigten alarmierende Ergebnisse. So fanden die Forscher Server, deren CPUs 80 Prozent der Zeit im Idle-Modus waren und die einen SIC-Wert von über 60 Prozent aufwiesen. Laut den Autoren verschwendet eine solche Maschine 20 kWh in der Woche, ohne irgendein Ergebnis zu liefern.
Achim Berg
Präsident des Bitkom
Foto: Bitkom
„Rechenzentren bilden die Basis der Digitalisierung und werden nun durch das Energieeffizienzgesetz aus Deutschland vertrieben.“
Auch das Umweltbundesamt beschäftigt sich seit geraumer Zeit damit, wie sich der ökologische Fußabdruck von Rechenzentren besser erfassen lässt. Mit der TU Berlin und dem Öko-Institut hat die Behörde 2017 die „Key Performance Indicators for Data Center Efficiency (KPI4DCE) definiert, die in einem 2018 gestarteten Folgeprojekt (KPI4DCE 2.0) weiterentwickelt werden. Sie stellen dem Performance-Wert vier Umweltwirkungsfaktoren gegenüber: abiotischer Rohstoffverbrauch, Treibhausgaspotenzial, kumulierter Energieaufwand und Wasserverbrauch. Während für Server, Speicher und Netzwerk eine komplette Ökobilanz aufgestellt wird, fließen bei Gebäuden und Gebäudetechnik nur der Verbrauch von Energie und Hilfsstoffen, nicht aber die Aufwendungen für die Herstellung ein.
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