Hannover Messe

Deutsche Fertiger müssen noch viel radikaler denken

von - 19.03.2019
Digitale Industrie
Foto: PopTika / shutterstock.com
Die deutsche Industrie muss Gas geben, wenn sie bei der Digitalisierung nicht den Anschluss an andere Länder verlieren will. Aber auch der Staat muss als Innovationsführer seinen Teil dazu beitragen.
Die deutsche Fertigungs-Industrie ist im Zuge der Digitalisierung in tiefgreifendem Wandel begriffen. Auf der Hannover Messe werden die Unternehmen wieder zeigen, wie sie ihre Spitzenposition behaupten wollen. Dabei werden sie noch alle Hände voll zu tun haben, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollen, schätzt Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von dem Beratungsunternehmen Accenture in Deutschland. Ob beim Maschinenbau, in der Chemie oder Robotik - "wir müssen noch viel radikaler denken, als wir es bislang tun". Und auch der Staat sei dabei als "Innovationsführer" gefordert, sagte Riemensperger der dpa.
Der Industrie fehle es derzeit an gemeinsamer Infrastruktur, etwa an einem Marktplatz für Maschinendaten, um von der Digitalisierung gebührend zu profitieren. Dafür seien jedoch gemeinsame, unternehmensübergreifende Anstrengungen nötig, sagt Riemensperger. Diese gebe es nach wie vor nur zu selten. Ein einzelner Mittelständler allein sei nicht in der Lage, die nötige Infrastruktur zu entwickeln. Bei den Unternehmen setze aber der Erkenntnisprozess gerade erst ein, "dass das keiner mehr allein wuppen kann". Auch in der Automobilindustrie halte man sich hierzulande an Schnittstellen, "die 20 Jahre alt sind". So werde es keinem Unternehmen gelingen, im globalen Wettrennen mitzuhalten.

Amazon, Microsoft und Google uneinholbar

Bei den Themen Cloud, virtuelle Rechenzentren oder Datenspeicherung sei "der Zug bereits abgefahren", hier dominierten mit Amazon, Microsoft und Google in der Regel die Amerikaner. Anders sehe es aber bei Betriebssystemen für Produkte im Business-to-Business-Geschäft aus, etwa mit weltweiten Registern für Maschinen oder Service-Schnittstellen. "Hier", so Riemensperger, "ist alles noch offen, Deutschland könnte sich den Preis noch holen". Beim Internet der Dinge könne sich die deutsche Industrie eine führende Position erobern.
Die Digitalisierung verrücke den Fokus immer mehr von der Hardware (Produkt-Fertigung) hin zu Software und Services. "Es werden keine Züge mehr verkauft, sondern Züge, die pünktlich sind - als Service." Auch ein Hersteller von Verpackungsmaschinen für Käse profitiere davon: Er verkaufe etwa nicht mehr allein seine Maschinen, sondern fordere von seinen Kunden deren Betriebsdaten ein. Mit Hilfe von Datenanalyse könne er sicherstellen, dass der Ausschuss schrumpft und die Verpackungen optimiert werden. "Es geht um Service, um das Ergebnis", sagt Riemensperger. Entsprechende Lösungen könne es für ganze Industriezweige geben.
Für die Transformation der Wirtschaftsprozesse sei aber auch die Vorbildfunktion des Staates dringend nötig, sagt Riemensperger. "Wir erlauben es uns aber gerade, die gesamte Verwaltung nicht zu digitalisieren." Damit entziehe der Staat der Digitalisierung dringend benötigte Innovationskraft. Dabei wäre es seine Aufgabe, als Leitanwender die Digitalisierung voranzutreiben.
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