Die Vertrauensfrage bei der Cloud

Vorsprung von Amazon & Co.

von - 26.03.2023
Doch bei der Wahl eines Cloud-Anbieters geht es letztlich um viel mehr als nur um dessen Firmensitz und die Server-Standorte. Auch der Funktionsumfang der Angebote muss auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Und hier punkten die großen Player Amazon, Google und Microsoft. So listet etwa Microsoft auf seiner Azure-Webseite eine dreistellige Zahl an verfügbaren Cloud-Diensten auf. Schon wenn man sich etwa nur die ausgefeilten Funk­tionen für Künstliche Intelligenz anschaut, stellt sich die Frage, ob die – vergleichsweise kleinen – deutschen Anbieter hier überhaupt mithalten können.
Alexander Wallner von Plusserver zufolge muss man diese Frage differenziert betrachten. „Klar, die Hyperscaler bieten tolle Lösungen für bestimmte Anforderungen, sei es nun Collaboration, KI oder auch die Rechen-Performance“, räumt er ein. Aber zum einen seien die Hyperscaler nicht in all diesen Dingen gleich gut, und zum anderen komme es stets auf den Kunden und seine Bedürfnisse sowie auf den aktuellen Stand der Cloud-Journey an. „Der mittelständische Konzern braucht erst mal eine Cloud-Lösung auf Enterprise-Niveau“, so eine Erfahrung. Nicht zuletzt gehe der Trend immer stärker in Richtung Multi-Cloud, „und das machen wir uns zunutze. Wir haben die Expertise, um die Angebote der Hyperscaler zu verwalten, und kombinieren diese an den Stellen mit unseren eigenen Lösungen, an denen es aus Datenschutz- oder Souveränitätsgründen notwendig ist.“
Hendrik Hasenkamp
CEO bei Gridscale
Foto: Gridscale
„Es gilt daran zu arbeiten, dass die eine oder andere Nischenlösung in Europa entsteht, damit Europa nicht vollends den Anschluss verliert.“
Jeder Anbieter habe sein eigenes Service-Portfolio und es gehöre zur Strategie eines jeden Providers, sein Angebot entsprechnd seiner Geschäftsbeziehungen weiter  auszubauen, so Henrik Hasenkamp von Gridscale. Die Technologien hierfür seien in der Regel allen Unternehmen gleichermaßen zugänglich – „wenn wir einmal von durchaus relevanten Monopolstellungen wie Microsoft Office absehen.“
Dabei ist sich Hasenkamp durchaus bewusst, dass man in Sachen Größe und Relevanz den Vorsprung von Amazon & Co. nicht aufholen könne. „Es gibt aber Nischen, und unter Nische verstehen wir durchaus ein Marktvolumen von mehreren Milliarden Euro, sodass es sich lohnt, hier einzusteigen. Wir sehen dieser Tage ja eindrucksvoll, wie die Firma OpenAI eine dieser Nischen exzellent besetzt.“ ChatGPT erfreue sich einer unfassbaren Beliebtheit. „Und meiner Einschätzung nach ist es das erste Mal, dass ein durchschnittlicher IT-Anwender Künstliche Intelligenz sehr einfach verwenden kann. Genau über solche Impulse verändert sich letztlich die gesamte Welt der IT.“
Patrick Schaudel von Ionos spricht bei den Angeboten der Hyperscaler von einem „aufgeblähten Portfolio an Funktionen“. Wenn man das Gros der Anwender befrage, was sie genau benötigen, dann reduziere sich das sehr schnell auf einige Kernfunktionen. „Gerade kleine und mittelständische Unternehmen stehen oft noch am Anfang ihrer Digitalisierungsreise. Da braucht es einen vertrauenswürdigen Anbieter, der die grundlegenden Dienste besonders in den Bereichen IaaS und PaaS bereitstellt.“ Der Preis, den man für die Feature-Vielfalt bei den Hyperscalern zahle, sei dagegen oftmals eine nicht umkehrbare Abhängigkeit, so sein klares Statement.
Marc Korthaus verweist in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Milliarden-Investitionen von Microsoft in das KI-Projekt ChatGPT. Die Investition sei nachvollziehbar und ermögliche Innovationen in der weltweit eingesetzten Standard-Software von Microsoft. „Gleichzeitig ist sie eine Machtdemonstration – die ihre Wirkung nicht verfehlt.“ Vor allem aber zeige Microsofts Investition: Für den globalen Betrieb solcher Lösungen sei eine enorme Rechenleistung notwendig, die im Grunde nur Großunternehmen wie Amazon, Microsoft oder Google auf internationaler Ebene bereitstellen könnten. „Was dies allein für unsere Zukunft bedeutet, bereitet Kopfschmerzen. Es schafft gefährliche Abhängigkeiten, doch Stand heute sehe ich hier keine echte europäische Konkurrenz – im Moment sieht es ganz danach aus, als wenn es dabei bleiben würde.
Zudem sei nicht die Frage, so Schaudel weiter, wie deutsche Cloud-Anbieter beim Funktionsumfang aufholen könnten. „Unser Ziel ist es, eine leistungsfähige und preiswerte Alternative für alle zu bieten, die aktiv nach einer europäischen Lösung suchen.“ Dabei sei man ja nicht allein, vielmehr hätte man die Chance, auf Basis europäischer Werte ein Ökosystem zu schaffen, das Europa unabhängiger mache und gleichzeitig datengetriebene Innovationen erlaube. „Wir müssen daher sektorübergreifend kooperieren und offene Standards und Interoperabilität fördern. So können wir Herausforderungen gemeinsam mit Mitbewerbern lösen, die wir allein wirtschaftlich und technologisch nicht stemmen können.“ Zum Beispiel sei das europäische Cloud-Projekt GAIA-X eine Initiative, die genau in diese Richtung ziele. Das Ziel von GAIA-X als föderiertes Ökosystem sei es, über Kooperation die europäische Innovationskraft zu stärken. Das bedeute, man müsse Interoperabilität und Portabilität schaffen und damit den Vendor-Lock-in einreißen.
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