Cloud-Modelle

Die Cloud im eigenen Rechenzentrum

von - 18.11.2022
Foto: Shutterstock/ ZinetroN
Private Clouds haben nach wie vor ihre Berechtigung, etwa wegen der hohen Sicherheit. Sie sollten jedoch die Option bieten, hybride Cloud-Modelle zu nutzen.
In einem Punkt sind sich Marktforscher, Unternehmen und die Anbieter von Cloud-Lösungen einig: An der Cloud führt kein Weg vorbei. Das zeigt beispielsweise die Studie „Cloud Monitor 2022“, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Bitkom Research erstellt hat. Ihr zufolge nutzen 2022 an die 84 Prozent der Unternehmen in Deutschland Cloud-Services, 2 Prozent mehr als im Vorjahr. „Speziell Public-Cloud-Services sind attraktiv. Sie bieten etablierte Technologien, gut definierte Provider-Frame­works, viele Standarddienste sowie exakt zugeschnittene Service-Architekturen“, sagt Ivaylo Slavov, CEO des IT-Dienstleisters Digitall. „Doch auch die Private Cloud hat für bestimmte Anwendungen weiterhin ihre Berechtigung“, ergänzt Slavov.
Welch hohen Stellenwert Private Clouds haben, belegen die Daten der Marktforscher. Laut „Cloud Monitor 2022“ setzen zwei Drittel (67 Prozent) der Unternehmen diese Cloud-Form ein. Auf einen etwas geringeren Wert kommt mit 56 Prozent das Beratungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder in seiner Studie „IT-Strategien und Cloud-Sourcing im Zuge des digitalen Wandels“ von 2022. Vor allem Großunternehmen nutzen demzufolge private Cloud-Umgebungen. Der Trend geht bei Anwendern dieser Kategorie und im Mittelstand vor allem in Richtung Hybrid Cloud, einer Mischung aus IT-Ressourcen im eigenen Rechenzentrum und Public-Cloud-Diensten. „Allerdings ist wiederum bei kleineren Unternehmen der Bedarf an hochgradig automatisierten Virtualisierungslösungen als erstem Schritt hin zu einer Private Cloud deutlich spürbar“, sagt Stephan Hierl, Chief Technology Officer beim IT-Dienstleister Kyndryl Deutschland.

Pro und Contra Private Cloud

Für den Aufbau einer Private Cloud auf Basis von Virtualisierungs- und Containerlösungen, Microservices, variablen Hardware-Ressourcen und den dazugehörigen Management-Tools sprechen mehrere Faktoren.
„Mit Private Clouds erhalten Unternehmen Zugang zu Cloud-Ressourcen, die ausschließlich zur eigenen Verwendung vorgesehen sind. Damit ist ein tieferer Einblick in die Infrastruktur, eine höhere Cloud-Sicherheit, die einfachere Kontrolle der Datenlokalität, eine bessere Data-Governance und eine höhere Performance mit niedriger Latenz bei anspruchsvollen Workloads möglich“, sagt Tobias Heizmann, APEX Cloud Sales / Acceleration Team von Dell.
Hinzu kommen weitere Argumente, etwa eine höhere Kostentransparenz und die Möglichkeit, Services besser auf die individuellen Anforderungen von Nutzern und kundenspezifische technische Designs abzustimmen, so Stephan Hierl von Kyndryl. „Die Kontrolle über den gesamten Technologie-Stack kann beispielsweise bei Zertifizierungen und Audits eine wichtige Rolle spielen.“ Eine In­stanz, die solche Zertifikate ausstellt, etwa für kritische Infrastrukturen (KRITIS), ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Ein weiterer Grund, dass Nutzer von Public-Cloud-Services dazu übergehen, einzelne Workloads ins eigene Data-Center zurückzuverlagern, ist die Furcht von einem Vendor- Lock-in. Die Abhängigkeit von einem einzelnen Cloud-Anbieter kann es beispielsweise erschweren, auf Preiserhöhungen zu reagieren und auf alternative Cloud-Services umzuschwenken.
Peter Goldbrunner
Vice President & General Manager Central Europe bei Nutanix
Foto: Nutanix
„Unternehmen, die sich für eine Private Cloud auf Basis einer echten HCI und damit für 100 Prozent Software-Steuerung entscheiden, holen sich die Public Cloud gewissermaßen ins Haus.“

Nachteile: Kosten und Agilität

Diesen Vorteilen stehen etliche Einschränkungen gegenüber, die Interessenten berücksichtigen müssen. „Echte Private Clouds verlangen hohe Investitionen in Infrastruktur, Automatisierung und, was gerne vergessen wird, in Prozessintegration und Governance“, stellt Alexander Schädle fest, Offering Manager Hybrid IT & Cloud bei Fujitsu. Das Plus an Stabilität und Unabhängigkeit bei einer Private Cloud „bezahle“ der Nutzer zudem mit einer geringeren Agilität: „Mit dem Serviceangebot, dem Innovationstempo und der Skalierbarkeit der Cloud-Hyperscaler mitzuhalten, ist für Private Clouds unmöglich.“
Speziell bei den Kosten ist bei einer Private Cloud Vorsicht angesagt. „Nutzer müssen die damit einhergehenden einmaligen Investitionen und die wiederkehrenden Kosten berücksichtigen, also Capex versus Opex“, sagt Stephan Hierl. Denn Wartung, Pflege und Weiterentwicklung müssen nach wie vor durchgeführt werden und können sich laut Hierl mit fortschreitender Digitalisierung in steigenden kontinuierlichen Kosten widerspiegeln.

Eine Option: Hyperkonvergente Systeme

Eine Möglichkeit, mit überschaubarem Aufwand die IT-Infrastruktur „cloudfähig“ zu machen, ist der Einsatz von hyperkonvergenten Infrastruktur-Lösungen (HCI). „Unternehmen, die sich für eine Private Cloud auf Basis einer echten HCI und damit für 100 Prozent Software-Steuerung entscheiden, ohne Hardware-Abhängigkeit, holen sich die Public Cloud gewissermaßen ins Haus. Und damit alle Vorteile wie Flexibilität, lineare Skalierbarkeit und Automatisierung“, argumentiert Peter Goldbrunner, Vice President und General Manager Central Europe von Nutanix.
Stephan Hierl
Chief Technology Officer bei Kyndryl Deutschland
Foto: Kyndryl Deutschland
„Die Kontrolle über den gesamten Technologie-Stack, wie ihn eine Private Cloud ermöglicht, kann bei Zertifi­zierungen und Audits eine wichtige Rolle spielen.“
Allerdings weist Peter Goldbrunner darauf hin, dass Unternehmen darauf achten sollten, dass eine HCI für Private Clouds komplett unabhängig von der darunterliegenden Hardware arbeiten sollte. Denn „eine HCI kann durchaus Hardware-Abhängigkeiten aufweisen, und das läuft dem Aufbau einer pri­vaten Cloud-Umgebung zuwider“ und führe zur Bindung an einen Hersteller. Dies lasse sich nur mit Lösungen vermeiden, die zu 100 Prozent softwaregesteuert arbeiten.
Weitere Auswahlkriterien sind eine lineare Skalierung der Cloud-Umgebung mittels HCIs nach oben und unten sowie eine weitgehende Automatisierung, etwa bei der Zuweisung von Ressourcen an Workloads, bei der Behebung von Fehlern und beim Update von Clients: „Virtuelle Arbeitsplätze bereitzustellen und Disaster-Recovery-Umgebungen einzurichten, sollte nur wenige Mausklicks erfordern“, so Goldbrunner.
Tobias Heizmann
APEX Cloud Sales / Acceleration Team bei Dell
Foto: Dell
„Eine gemanagte Cloud-Umgebung bietet Unternehmen viele Vorteile, um die Private Cloud zu optimieren, angefangen bei einem betriebskostenbasierten Modell bis hin zur schnellen Auswahl und Bereitstellung der Infrastruktur-Services.“
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