Große Erwartungen an HR & Recruiting

„Mitarbeiterbindung ist nicht allein Aufgabe der Personalabteilung“

von - 10.10.2022
Ileana Honigblum, Vice President Sales & Managing Director DACH beim Software-Unternehmen Pegasystems, erklärt im Interview, was für neue Herausforderungen auf HR zukommen und wie man Fach­kräftemangel und Mitarbeiterfluktuation entgegenwirken kann.
com! professional: Welche Herausforderungen stellen sich für HR?
Ileana Honigblum
VP Sales &  Managing Director Pegasystems
(Quelle: Pegasystems)
Ileana Honigblum:
Das Anwerben, die Bindung und die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wobei die Bindung wahrscheinlich die größte Herausforderung darstellt. Das ist natürlich nicht nur die Aufgabe der Personalabteilung. Sie kann aber maßgeschneiderte Programme für die Mitarbeitenden entwickeln. Solche Programme sind heutzutage der Schlüssel für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung.
com! professional: Wie wichtig sind soziale Medien im Bewerbungsprozess?
Honigblum: Sie spielen heute bereits eine zentrale Rolle. Karrierenetzwerke wie Linkedin und Xing ermöglichen es Unternehmen, besser zu verstehen, wer ihre Bewerber und Kandidaten sind, und dadurch gezielter auf sie einzugehen. Außerdem gestalten diese Netzwerke die Suche nach geeigneten Kandidaten effizienter, kostengünstiger und intuitiver. Unternehmen können dort mit einem breiten und vielfältigen Publikum in Verbindung treten und dadurch leichter qualifizierte Kandidaten finden.
Soziale Medien bieten den Unternehmen aber auch die Möglichkeit, sich selbst bei Talenten als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Sie können sich dort als engagierte Organisation mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern positionieren, die sich wirklich für die Arbeit des Unternehmens einsetzen und für seine Werte und Grundsätze stehen. Die jungen Generationen suchen nicht einfach nur einen Job, sondern eine sinnhafte Tätigkeit. Sie wollen mit ihrer Arbeit etwas bewegen und bewirken. Dass sie dazu alle Möglichkeiten und Freiheiten haben, lässt sich in den sozialen Medien authentisch vermitteln.
com! professional: Eine hohe Fluktuationsrate ist ein Albtraum für HR. Wie lässt sich dem entgegenwirken?
Honigblum: Die Personalabteilung kann vor allem dabei helfen, he­rausfinden, was die häufigsten Gründe für das Ausscheiden von Mitarbeitenden sind. Dadurch kann sie maßgeblich dazu beitragen, Strategien zu ihrer Bindung zu entwickeln. Die Mitarbeiterbindung ist aber nicht alleinige Aufgabe der HR. Es handelt sich vielmehr um eine Teamleistung des gesamten Unternehmens. Wir bei Pegasystems in DACH beispielsweise haben ein funktionsübergreifendes Team dafür. Es konzentriert sich auf vier zentrale Bereiche des Mitarbeiterengagements: Kommunikation, Anerkennung, Personalentwicklung und Teamarbeit.
„Die jungen Generationen suchen nicht einfach nur einen Job, sondern eine sinnhafte Tätigkeit.“
Die gesamte Organisation sollte um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kreisen. Jede Führungskraft ist gefordert, ihren Mitarbeitenden individuell maßgeschneiderte Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich optimal entwickeln und produktiv und erfolgreich sein können. Zudem müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vertrauen spüren und sich dazu ermächtigt fühlen, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Arbeit erledigen. Und sie sollten das Gefühl haben, über ihre Funktion hinaus Teil eines größeren, umfassenden Ziels zu sein.
com! professional: Was zeichnet ein zeitgemäßes People-Management aus?
Honigblum: Empathie und Vertrauen. In der heutigen hybriden Arbeitswelt braucht es einen unterstützenden Führungsstil. Führungskräfte müssen aktiv zuhören, für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorge tragen und ihre Privatsphäre respektieren. Bei moderner Führung geht es um Vertrauen und Förderung von Autonomie. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die Freiheit spüren, sich ihre Zeit selbst einteilen zu können und zu arbeiten, wo und wann sie möchten. Dafür braucht es eine klare Kommunikation, realistische Leistungserwartungen und kontinuierliches Feedback.
com! professional: Wie können digitale Tools helfen, den Prozess vom Sichten der Bewerbungen bis hin zum Vertragsabschluss zu verkürzen?
Honigblum: Sie können diesen Prozess vor allem durch die Automatisierung anspruchsloser Aufgaben wie etwa das Ausfüllen von Unter­lagen straffen. Die HR-Abteilungen erhalten auf diese Weise mehr Freiraum für wichtigere und qualifiziertere Tätigkeiten – zum Beispiel, sich kreativ um die Gewinnung neuer Talente zu kümmern.
„Klare Kommunikation, realistische Leistungserwartungen und kontinuierliches Feedback.“
com! professional: Was halten Sie vom Modewort Upskilling? Entwickelt sich das wirklich zu einem zentralen HR-Trend?
Honigblum: Upskilling wird von Tag zu Tag relevanter. Es ist ein nachhaltiger Ansatz zur Personalentwicklung und trägt dazu bei, die Arbeitsmoral zu befeuern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker an das Unternehmen zu binden. Indirekt kann Upskilling auch die Kosten für Recruiting und Onboarding senken.
com! professional: Was muss ein Recruiter von morgen können?
Honigblum: Er muss das Geschäft seines Unternehmens verstehen. Er muss wissen, was das Unternehmen tut und wie es das tut. Nur dann kann er Bewerbern den Unternehmenszweck und damit auch den Sinn ihrer Arbeit vermitteln. Recruiter dürfen nicht nur Vorstellungsgespräche organisieren, sondern sollten motivieren, ermutigen und antreiben.
Beim Einstellen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sollten sich Recruiterinnen und Recruiter stärker auf Potenziale als auf Fähigkeiten und Erfahrungen konzentrieren. Dieser Ansatz trägt dazu bei, eine diversere und langfristig engagiertere und motiviertere Belegschaft zu entwickeln.
Ein Mentalitätswandel in diese Richtung findet bereits statt, aber Unternehmen sollten ihre Recruiter noch viel besser in die Lage versetzen, zu verstehen, was die Organisation und jede einzelne Geschäftseinheit benötigen. Sonst bleiben ihnen als Entscheidungskriterien weiterhin nur Fähigkeiten und Erfahrungen – und dadurch vergeben sie große Chancen.
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