Wie die EU das Internet reguliert

Was Experten sagen

von - 10.08.2022
Insgesamt stoßen die EU-Gesetzesinitiativen zur Regulierung digitaler Märkte und Services auf positive Resonanz. „Mit diesen beiden Gesetzen, dem DSA und dem DMA, ist ein riesiger Schritt in Richtung fairere Märkte und bessere Online-Plattformen gemacht worden“, urteilt Matthias Kettemann, Leiter des Forschungsprogramms „Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“ am Leibniz-Institut für Medienforschung – Hans-Bredow-Institut (HBI), und Universitätsprofessor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck.
„Da die USA, China oder Russland aktuell keine ernst zunehmenden Regulierungsvorschläge machen, wird das einen Standard setzen, der weltweit gesehen und gehört wird und Vorbildwirkung haben wird in vielen Bereichen“, so Kettemann weiter. Der Experte bemängelt allerdings die Intransparenz des Gesetzgebungsverfahrens: „Die Tatsache, dass wir Wochen nach den entsprechenden Beschlüssen noch keine finalen Fassungen haben, über die wir diskutieren können – das ist ein schlechtes Vorgehen.“
Auch Tobias Keber, Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft an der Hochschule der Medien Stuttgart, findet die Stoßrichtung der Gesetze prinzipiell richtig, warnt aber vor einer „Hypertrophierung“ des europäischen Internetrechts: „Wir haben sehr viele Mechanismen, man muss sehr genau hingucken: Bleiben die auch insgesamt kohärent? Gibt es da nicht zum Teil systematische Brüche oder Widersprüche?“
Thomas Duhr
Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW)
Foto: red
„Der Digital Services Act ist das Auffangbecken für ausnahmslos alle digitalen Regulierungsprojekte geworden.“
Björn Steinrötter wiederum, Juniorprofessor für IT-Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam, ist vor allem der „Marketingsprech“, mit dem die EU den Digital Services Act bewirbt, ein Dorn im Auge: „Mit Übertreibungen wie ‚Goldstandard‘ erweist man der Akzeptanz des DSA einen Bärendienst.“
Kritik kommt auch von Digitalkonzernen und Verbänden. So hat Apple beispielsweise im vergangenen Jahr einen Report veröffentlicht („Building a Trusted Ecosystem for Millions of Apps“), in dem das Unternehmen gegen eine Öffnung seines App-Stores argumentiert. „Wir sind zutiefst besorgt über Vorschriften, welche die Privatsphäre und die Sicherheit untergraben könnten“, erklärte Apple-CEO Tim Cook auf dem „Global Privacy Summit 2022“. „Datenhungrige Unternehmen könnten unsere Datenschutzrichtlinien unterminieren und Nutzer gegen ihren Willen ausspionieren.“
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) reibt sich vor allem am DSA: „Der Digital Services Act ist das Auffangbecken für ausnahmslos alle digitalen Regulierungsprojekte geworden, die manche Abgeordnete seit Jahren mit unterschiedlichem Erfolg beschäftigen.
Jutta Gurkmann
Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv)
Foto: red vzbv
„Es bleibt abzuwarten, inwieweit der DSA dazu beiträgt, Verbraucher:innen beim Online-Kauf besser vor unsicheren Produkten und unseriösen Angeboten zu schützen.“

Die tatsächliche Zielsetzung der Verordnung geht damit an dieser Stelle verloren“, moniert BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr.
Ganz ähnlich sieht das Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des eco – Verband der Internetwirtschaft: „Grundsätzlich unterstützen wir eine horizontale Regelung in Form des DSA und stehen darin getroffenen zusätzlichen Verpflichtungen für Online-Plattformen offen gegenüber. Doch sollte es darum gehen, eine klare Linie beizubehalten und das Instrument nicht durch Spezialregelungen zu überfrachten.“ Es sei wichtig, dass die im DSA festgeschriebenen Verpflichtungen auch für kleine und Kleinstunternehmen umsetzbar blieben, oder diese davon ausgenommen würden, so Süme weiter. „Definitionen müssen nachvollziehbar und konkret sein.“
Dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wiederum geht vor allem der Schutz der Verbraucher im Online-Handel nicht weit genug. „Es bleibt abzuwarten, inwieweit der DSA dazu beiträgt, Verbraucher:innen beim Online-Kauf besser vor unsicheren Produkten und unseriösen Angeboten zu schützen“, erklärt Jutta Gurkmann, Vorständin des vzbv.
Oliver Süme
Vorstandsvorsitzender des eco – Verband der Internetwirtschaft
Foto: red
„Es [sollte] darum gehen, eine klare Linie beizubehalten und das Instrument nicht durch Spezialregelungen zu überfrachten.“
Der vzbv kritisiert, dass die Betreiber von Online-Marktplätzen nicht zu regelmäßigen Testkäufen verpflichtet wurden. Dadurch hätte sich verifizieren lassen, ob Händler Verbraucherrechte, wie etwa das Widerrufsrecht, einhalten. Dass Betreiber von Online-Marktplätzen bei Sorgfaltspflichtverletzungen weiterhin nicht haftbar gemacht werden können, sei ein weiteres Manko des Verhandlungsergebnisses, so der Verband.
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