Conti war in NS-Zeit "Stützpfeiler der Kriegswirtschaft"

Rassismus, Antisemitismus und Misshandlungen

von - 28.08.2020
Viele Unternehmen wie VW, Daimler oder die Deutsche Bank haben ihre Geschichte in der Nazi-Diktatur schon aufarbeiten lassen, nun liegen auch im Fall Conti Daten vor - sowohl zu Beschäftigten, die Opfer von Rassismus und Antisemitismus wurden, als auch zu Kriegsgefangenen. Letztere mussten oft "eine regelrechte Odyssee" durch die Lager und Produktionsbetriebe überstehen. Manche überstanden es nicht.
Vor der Leitungsebene machte die "Deformation der Unternehmenskultur" ebenfalls nicht halt. Erst gab es auch noch Manager mit jüdischen Wurzeln. "Im Laufe der 30er Jahre hat sich das Unternehmen dann aber selbst arisiert", erklärt Erker. Aufsichtsratsmitglieder wurden in manchen Fällen sofort zum Rücktritt gedrängt. Als besonders nützlich erachtete Experten oder Prokuristen seien allerdings auch aus der Schusslinie genommen worden - während sich die Täter und Betreiber von Diffamierungskampagnen häufig nicht verantworten mussten.
Die 2015 beauftragte Durchleuchtung des "dunkelsten Kapitels unserer Unternehmensgeschichte" sei überfällig gewesen, meint Degenhart. "Die damaligen Entscheidungen waren durch nichts zu rechtfertigen", sagt er über die Zwangsarbeiter-Einsätze. "Aber es ist gleichzeitig eine Mahnung an alle Führungskräfte in Wirtschaft und Politik, mit ihrer Verantwortung sehr sorgsam umzugehen." Für Conti selbst bedeute das, Beschäftigte für die Vergangenheit zu sensibilisieren: "Wir halten es nicht für opportun, unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft auszuschließen. Rassismus ist unter keinen Umständen tolerierbar."

Millionenspende an Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft

Über einen zweistelligen Millionenbeitrag zur Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft habe Conti bereits mit dafür gesorgt, dass Zwangsarbeiter entschädigt werden. "Damit ist aber kein Schlussstrich gezogen", so Degenhart. "Wir möchten insbesondere Führungskräften vermitteln, welche Verantwortung wir aus der Historie heraus haben."
Personalvorständin Ariane Reinhart betont die stärkere Verankerung von Werten: "Wir müssen sie laufend stärken und überprüfen." Ein 2016 gestartetes Programm, das die Firmengeschichte Nachwuchskräften näherbringen soll, haben 450 Auszubildende in Hannover durchlaufen.
Eine Weiterführung unter dem Titel "Verantwortung und Zukunft" richtet sich nun an die ganze Belegschaft. "Es geht um die Frage: Wie hätte ich reagiert? Vom Meister an der Linie bis zum Topmanager." Historiker Erker sieht auch einen aktuellen Bezug - angesichts eines gesellschaftlichen Klimas, in dem "falsches Wissen über die Entstehung und Funktionsweise des NS-Regimes verbreitet wird".
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